Absolution für den Frühstücksdirektor

■ „Huhu, liebes Radiovolk“: Nach langer Pause ist Lutz Bertram wieder auf Sendung

Der Moderator stellt die Preisfrage: Wie hieß das Stück „Die Bauern“ ursprünglich? Der Zuhörer am anderen Ende der Leitung sagt: „Tut mir leid, keine Ahnung. Aber weißt du, wer Hannelore gefickt hat?“ Huhu, liebes Radiovolk!

Der namenlose Moderator tritt ab, Auftritt: der „Nachmittagsdirigent“, der sofort loshämmert: Jetzt komme das „Programm für den aufgeweckten Zeitgenossen und mündigen Mitbürger“. Es folgt ein gut gedehntes Eröffnungsstakkato, in dem er einem um die Ohren knallt, das Ganze geschehe „pflichtschuldig und in g-e- w-o-h-n-t-e-r-Q-u-a-l-i-t-ä-t“. Vom „Frühstücksdirektor“ zum „Nachmittagsdirigenten“, Erkennungsmelodie „Huhu, liebes Radiovolk“, große Schnauze und Durchblick, Markenzeichen für, ja, sagen wir es mit Pfarrer Schorlemmer: „erfrischend direktes Radio“. Bertram is back.

Lutz Bertram, vor gut zwei Jahren von Radio Brandenburg wegen seiner Stasi-Vita gefeuert, darf wieder moderieren. Täglich 16 bis 18 Uhr beim Berliner Sender NewsTalk 93,6. In der auf zwei Stunden aufgeblasenen „Stunde der Wahrheit“ kommt Bertram allerdings noch herzlich wenig zu Wort – daran wird er schwer zu knabbern haben. Seine Redezeit ist begrenzt, eine Handvoll Interviews, ansonsten Nachrichten und Werbung, aber immerhin. Bertram schwadroniert zunächst noch mit recht unscheinbaren Zeitgenossen über Benno Ohnesorg oder die Nato-Osterweiterung. Er spricht noch vorsichtig, aber wortgewaltig: „wir können ja mal die Wurst vom anderen Ende anschneiden“, „so, jetzt ran ans Eingemachte“. Von „erkenntnistheoretischen Einstiegsluken“ ist die Rede und: „Ich empfehle Ihnen, Herrschaften, dringend eine Visitation.“

Zu guter Letzt ist sein alter Spezi Erwin Huber, der bayrische Finanzminister, am Apparat und Bertram völlig außer Rand und Band. Er redet mit Huber allerlei, mal hier über den Finanzminister, mal da über die Personalfrage Generalsekretär, aber darum geht es eigentlich nicht. Huber am Hörer – das ist die Absolution für den Ex- Stasi-Mitarbeiter und Ex-PDS-Berater, und das wiederum ist doch einigermaßen erstaunlich. Ab jetzt kann und wird Bertram loslegen, wie er will, „politische und sonstige Zeitgenossen am Kragen packen“. Wenn unsereins ehrlich ist, wir haben darauf gewartet. Bertrams seinerzeitige, im ORB aufgeführte Rechtfertigungseiereien waren gewiß starker Tobak. Andererseits, wo der Mensch recht hat, hat er recht: „Sind Sie etwa der Meinung, daß der Rundfunk in dieser Stadt seit meinem Ausscheiden inhaltlich oder sittlich besser geworden ist?“ Andreas Lehmann