■ Kommentar: Druck der Masse
Die Love Parade ist ein Phänomen. Sie paßt in kein gängiges Muster von Großveranstaltungen. Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit sind bei der Frage, wie man mit Hunderttausenden von Tanzenden umgehen sollte, schlicht überfordert.
Das zeigt sich überall: Eine Veranstaltung, die 750.000 und mehr Menschen auf die Beine bringt, kann sich kindische Mottos leisten: Allein die große Zahl legitimiert sie. Die Anerkennung als politische Veranstaltung ist genauso vordergründig naiv wie die Parade selbst. Was ist an der Parade politisch? Ein Motto wie „Let the sunshine in your heart“? Der wirkliche Grund ist, daß man einer Veranstaltung mit weltweiter Werbewirkung und dicken Einnahmen für Veranstalter, Hotels und die Finanzverwaltung nicht über die Kosten für die Müllentsorgung den Hahn zudrehen will.
Doch auch die Kritiker wissen nicht, wie man mit der Parade umgehen soll. Vielen ist es einfach zu voll und zu laut, sie hätten es in ihrem Provinzmief lieber schön leise. Der Tiergarten könnte die Parade durchaus vertragen – wenn sie denn nur alle zehn Jahre stattfände. Und ein Ausweichen in Straßenschluchten ist aus Sicherheitsgründen unvertretbar.
Die Love Parade macht Freude und Ärger, weil sie genau auf den Schnittpunkt zwischen Demonstration, Massenbewegung, Happening und Massenverwüstung ohne direkten Verantwortlichen fällt. Doch die Love Parade gehört zu Berlin. Was bleibt, ist die Suche nach einem halbwegs geeigneten Ort: zwischen Ernst-Reuter- und Theodor-Heuss-Platz, rund um den zugigen Alex, an der Heerstraße oder am Messegelände? Die Diskussion um „Love Parade – ja oder nein?“ ist schlichte Realitätsverweigerung. Die Parade kommt – nur ob in geordneten Bahnen und mit wieviel Flurschaden, das ist die Frage. Auch eine Klage und ein mögliches Verbot werden die Love Parade nicht verhindern. Um eine Million Menschen am Tanzen zu hindern, hat nicht einmal Berlin genügend PolizistInnen. Bernhard Pötter
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