: Nie wieder Lurup und Herzlake?
■ Für die Fußballer von Hannover 96 geht es beim heutigen Aufstiegsspiel in Cottbus um die Zukunft ihres „Team 2000“
Hannover (taz) – In der niedersächsischen Hauptstadt ist alles auf das Jahr 2000 eingestellt. Die Weltausstellung Expo 2000 steht vor der Tür. Und mit diesem Schwung möchte auch Hannover 96 zurück in den Profifußball. Präsident, Trainer und Manager basteln am „Team 2000“. Aber heute reisen die 96er nur mit einem schmalen 0:0 aus dem Hinspiel gegen Energie Cottbus zum entscheidenden Spiel in die Lausitz (20.20 Uhr, live in N3), und der Traum von der raschen Rückkehr in die 2. Liga kann schnell ausgeträumt sein.
Bei Hannover 96 ging es vor einigen Jahren manchmal zu wie bei „Dallas“ und „Denver-Clan“ zusammen: Eifersüchteleien, Mißgunst und Intrigen. Als Hannover 96 einmal als Karnevalsverein bezeichnet wurde, liefen die Karnevalsvereine Sturm. Passend zum Jubiläum gab es den Rutsch in die Drittklassigkeit. Der 100jährige Renommierclub, Meister von 1938 und 1954, Pokalsieger 1992, war am Tiefpunkt angelangt.
Hannover 96 ist auch der Meister im Trainerrausschmeißen. 36 waren es in 33 Erst- und Zweitligajahren. Immer wurde auf den kurzfristigen Erfolg geschaut, nie darauf, ein Konzept zu verwirklichen. Sogar ein ausgewiesener Fachmann wie Volker Finke war den Verantwortlichen nicht gut genug. Statt dessen verpflichtete der Verein Trainer, deren Arbeitsstil nicht mehr in die heutige Fußball-Landschaft paßt: Rolf Schafstall und Egon Coordes.
Das änderte sich erst nach dem Absturz. Mit dem eher unbekannten Reinhold Fanz wurde – so der neue Präsident Dr. Hans Wöbse – ein Trainer „mit dem richtigen Charisma, um pädagogisch sinnvoll langfristig zu arbeiten und etwas mit jungen Spielern konstruktiv aufzubauen“ geholt. Dazu kam Manager Franz Gerber, der vor der 96er-Tür in Celle – so Wöbse – „erfolgreich vormachte, wie Fußball gestaltet und gemanagt werden kann mit wesentlich schlechteren Rahmenbedingungen“.
Ein Auge für die Talente aus der Region hat 96 nur sehr selten gehabt. Beleg dafür sind die aus Havelse nach Freiburg „ausgewanderten“ Vogel, Sundermann, Freund oder Todt, aber auch der aus Osterode stammende Marco Bode. Das 17jährige Talent Boris Besovic landete als Vertragsamateur beim HSV. Und auch die Einkäufe waren oft unglücklich. Beispiel: Anstelle von Jonathan Akpoborie wurde der Fußballrentner Reinhold Mathy verpflichtet.
Und so kam es, daß sich das einstige Aushängeschild der Region just im Jahr des Jubiläums auf Gegner wie Herzlake, Delmenhorst und Lurup einstellen mußte. Wöbse ist ein „verrückter Fußballer“. Seine Maxime lautet: „Es müssen endlich Leute was zu sagen haben, die vom Sport etwas verstehen.“ Nach der Wahl verkündete er: „Bis zur Expo 2000 muß der Verein in einem anderen Licht dastehen.“
Jetzt soll natürlich der Aufstieg in die 2. Liga her. Ex-Profi Reinhardt Stumpf wurde verpflichtet; Uli Borowka sollte in Hannover seine privaten Probleme aus der Welt schaffen, landete dann aber in Polen. Der ehemalige Frankfurter Matthias Dworschak ist eine echte Verstärkung und hat seinen Stammplatz sicher. Endlich erhielten junge Leute wie Asamoah, Kovacic und Rasijewski Verträge bis ins Jahr 2000. Ob sie dann wenigstens in der 2. Liga spielen, hängt zunächst vom heutigen Entscheidungsspiel bei Energie Cottbus ab.
„Ich könnte mich in den Hintern treten“, sagte 96-Kapitän Carsten Linke nach dem 0:0 in Hannover. Das wäre aber genauso schwer wie der Versuch, eine Lücke in das Cottbuser Abwehrbollwerk zu spielen. „Der Weg in die 2. Liga ist ein Nadelöhr“, meint Franz Gerber.
Für das Rückspiel hat er Dopingkontrollen bei beiden Mannschaften beantragt, weil Energie- Präsident Dieter Krein nach dem Match im Niedersachsenstadion gesagt hatte, daß einige 96-Akteure „wie abgerichtete Kampfhunde“ gespielt hätten. „Man spürt deutlich, daß die Nerven blank liegen“, sagt der Hannoveraner Manager, der nur den Trost hat, das bestmögliche aller Unentschieden mit in die Lausitz zu nehmen. Hermann Gerdes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen