■ Rückführung von Bosnienflüchtlingen neu geregelt
: Späte Einsicht

Wie eine päpstliche Enzyklika haben die Innenminister von Bund und Ländern ein Jahr lang die Maxime hochgehalten, bosnische Kriegsflüchtlinge hätten, gestaffelt nach ihrem Familienstand, Deutschland zu verlassen. Daß dieses Prinzip unsinnig und unmenschlich war, hatten Kenner der Lage wieder und wieder zu erklären versucht – und heimsten, wie Außenminister Kinkel, dafür Beschimpfungen ein. Selbst als man die ersten muslimischen Rückkehrer in ihrer serbisch besetzten Heimat mit Steinen empfing, reichte den Innenministern dies nicht als Beleg für die Unsinnigkeit der einmal gefaßten Beschlüsse.

Nun also, nach über einem Jahr, die späte Einsicht: Muslimische und kroatische Flüchtlinge können nicht in die Republik Srpska zurückgeschickt werden. Abschiebungen in diese Region seien „derzeit als nachrangig anzusehen“. Kurskorrekturen in der Rückführungspolitik seien allerdings nicht notwendig. So etwas nennt man wohl einen geordneten Rückzug.

Natürlich ist es eine Kurskorrektur, die da beschlossen wurde. Erstmals zeigen die Innenminister sich überhaupt bereit, die eigenen Rückführungsprinzipien mit der Realität abzugleichen. Das ist nicht zuletzt der zähen Überzeugungsarbeit von Flüchtlingsorganisationen und UNHCR zu verdanken. Aber die monatelange Angst vor der Abschiebung ins Ungewisse hat unzählige bosnische Familien nicht nur Nerven gekostet, sondern auch das Vertrauen in das Gastland Deutschland.

Die Aussetzung der Abschiebungen in die Republik Srpska kann jedoch nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Wer die Situation in Bosnien zum Leitfaden für die Rückkehr macht – was das einzig Vernünftige ist –, muß auch in der Muslimisch- Kroatischen Föderation genau differenzieren. In welcher Region finden die Rückkehrer eine Lebensgrundlage, und in welcher werden auch ethnisch gemischte Familien ohne Anfeindungen von Nachbarn wieder Fuß fassen können?

Vor allem aber müssen sich die Innenminister zu einer anderen Erkenntnis durchringen: Die bundesrepublikanische Gesellschaft wird – ob sie will oder nicht – noch einige Jahre mit den Folgen des Balkankriegs konfrontiert sein. Dies ist eine Konfrontation mit konkreten Menschen, die ein Anrecht auf menschlichen Anstand haben. Vera Gaserow