: „Beleidigt die Chinesen nicht“ – in den Sophiensälen
In „Afrika“ war er vor zwei Jahren unterwegs. Jetzt setzt Dirk Cieslak seine assoziativen Theaterreisen in Rußland fort. Unter irreführendem Titel allerdings: „Beleidigt die Chinesen nicht“ heißt die neue Produktion der Gruppe „Lubricat“, die am Samstag in den Sophiensälen Premiere hatte. War „Afrika“ eine schwerblütige, mit Rituellem aufgeladene „Reise ins Herz der Finsternis“, voll von klugem, aber auch ziemlich angestrengt wirkendem Tiefsinn über Kolonisation, Sexualität und Exo-W. Mey und A. Dallapiccola Foto: T. Aurin
tismus, so ist die neue Produktion von Lubricat vor allem ein dadaistisches Spiel. „Beleidigt die Chinesen nicht“ erinnert an einen großen Russenflohmarkt, bei dem an der einen Ecke Folklorepüppchen, an der anderen Militärmützen feilgeboten werden. Die Klischees zitiert Cieslak, indem er sie umgeht; der Tee kommt nicht aus dem Samowar, sondern aus einem Wasserkocher westlicher Bauart. Natürlich gibt es auch hier wieder Assoziationsketten und Themen, die sich durch den Abend verfolgen lassen. Vor allem aber sind es einzelne Figuren, die ein Stückchen Rußland aufblitzen lassen: die Matrone mit den beiden riesigen Einkaufstüten, die sich in einen am Fenster winkenden Staatsmann verwandelt, der Yuppie, der sämtliche neuen Kaugummisorten gleichzeitig ausprobiert; die Wangenmuskeln tun einem vom bloßen Zusehen weh.
Armin Dallapiccola, dem wundervollen Narziß, der mit Cieslak zusammen bisher vor allem Soloabende vorgestellt hat, werden diesmal drei weitere Darsteller an die Seite gestellt. Natürlich spielt er sie alle an die Wand, das war nicht anders zu erwarten. Trotzdem gelingt auch ihnen die ein oder andere hübsche Szene. Vor allem aber wirkt Dallapiccola, da nicht die ganze Last des Abends auf ihm allein liegt, entspannter und befreiter als sonst, dabei kontrolliert und prägnant wie immer. Alles, was er tut, überrascht, nichts ist ohne Witz. Mit der Wodkaflasche war Dirk Cieslak erst nach der Aufführung unterwegs. Sein Bühnen-Rußland kommt ohne den Rausch aus. Ein langweiliges und freudloses Land ist es darum nicht. Michael Mans
nächster Termin: 11.6. Sophienstraße 18, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen