: Durchblick spart Millionen
■ Reichstagsfenster sollen 58 Millionen Mark kosten - dennoch mußte Ausschreibung jetzt zurückgenommen werden, weil alle Anbieter noch deutlich darüber lagen
Daß Glas recht hart sein kann, bekommt derzeit die Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) zu spüren. Bei der Ausschreibung für die neuen Fenster des Reichstags blieben alle in die Auswahl genommenen Glasunternehmen deutlich über den von einer externen Gutachtergruppe anvisierten Kosten. Statt der veranschlagten Summe von 58 Millionen Mark für die Fenster und Glaswände des zukünftigen Plenargebäudes kalkulierte selbst der günstigste Anbieter mit 63 Millionen noch 5 Millionen Mark über dem Soll. Die übrigen Unternehmen lagen mit ihrem Angebot für die Luxusverglasung zum Teil jenseits der 65-Millionen- Mark-Grenze.
Die BBB, durch umstrittene Gerüstkosten von 12,5 Millionen Mark gerade in die Kritik gekommen, will deshalb die Ausschreibung zurückziehen und die Vergabe neu ausloben. Die extrem hohen Kosten für die Fenster des Reichstagsgebäudes sind zum einen darauf zurückzuführen, daß die Scheiben hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden müssen. Die Glasstärke liegt bei allen Fenstern deutlich über der normalen Stärke von zwei bis drei Millimetern. Zweitens erhält der umgebaute Reichstag durch die Planung von Norman Foster nicht nur eine neue große Glasfassade am Westeingang. Foster ließ auch alle anderen Fenster neu entwerfen.
Mit dem Rückzieher bei der Fenstervergabe, so die BBB, soll nun ein Sparkurs gefahren werden. Durch „kostensparendes Management“, erklärte Claudia Lemhoefer, Sprecherin der Baugesellschaft, werde eine harte Kostenkontrolle praktiziert. Arbeiten am insgesamt 600 Millionen Mark teuren Reichstagsumbau sollen in Zukunft nur noch an den günstigsten Anbieter vergeben werden. Mehr als 2 Millionen Mark sparte die BBB, indem sie den Bodenbelag an eine bayerische Firma delegierte. Deren „Kalkstein Jura“ war billiger als der französische „Chassange beige“.
Offen ist, ob sich die Bundesbaugesellschaft auch bei der Frage der Bestuhlung durchsetzen kann. Norman Foster hat für den Plenarsaal einen Entwurf vorgelegt, der den Parlamentarierhintern neue Sitzschalen bescheren soll. Diese möchten jedoch auf ihr – von Günter Behnisch entworfenes – Bonner Gestühl nicht verzichten. Ob die blaue Bestuhlung der Firma Vitra nun im Reichstag Einzug halten kann oder nicht, soll ein Vergabeverfahren entscheiden. Die Stuhlfrage hatte seinerzeit den Neubau des Bonner Plenarsaals von Behnisch mehrfach verzögert und zudem verteuert. Die Abgeordneten hatten sich jahrelang nicht auf eine Sitzordnung und die Bestuhlung einigen können. Rolf Lautenschläger
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