■ Nachschlag
: Arrabal ohne Worte: Altmann und Kraehkamp im Renaissance-Theater

Sie waren das rauhbeinige Slapstick-Duo „Hartmann und Braun“, das kindliche Traumpaar in F.K. Waechters „Kiebitz und Dutz“ und die katastrophalen Tölpel in O'Caseys „Das Ende vom Anfang“. Jetzt gibt es Michael Altmann und Heinz-Werner Kraehkamp erneut als ideal eingespieltes Doppel. „Ei-Land“ im Renaissance-Theater, ein Abend mit ihren ureigenen Ingredienzen: clowneske Szenerien, brachiale Komik, leise, geradezu zärtliche Momente und dann wieder ungestümes Raufen, Spucken, Hauen und Grölen.

Altmann ist ein Anzugtyp, der, gerade eben erst aus dem Flugzeug gestürzt, sein Leben auf der einsamen Insel schon wieder ganz nach dem eingeübten Zeitplan der Bürowelt regelt. Kraehkamp ist der Wilde: Über und über mit Lehm beschmiert und nackt bis auf einen Tanga, aus dem phallisch und liebevoll gestreichelt ein Grasbüschel herausschaut. Ein träger Eingeborener mit magischen Kräften, der die Elemente beherrscht. Zwei Prinzipien stoßen hier aufeinander: der gutmütige Urbewohner und derjenige, der sich als Kaiser aufspielt; einer, der sich zunächst willig versklaven läßt, und einer, der einen alten Flugzeugsessel als Thron einnimmt.

Fernando Arrabals Stück „Der Architekt und der Kaiser von Assyrien“ lieferte für das Duo und ihre Regisseurin Gabriele Jakobi die Spielvorlage. Vor knapp zehn Jahren haben sie sich gemeinsam schon einmal an dieses Stück gemacht. Damals im Schiller-Theater und mit Arrabals Text. Nun wird die Geschichte ganz ohne Worte gespielt. Ein bißchen Gegrummel, Gestöhne und Gekicher reichen, der Rest machen Altmann & Kraehkamps Körpersprache und die jazzige, atmosphärische Live-Musik von Achim Gieseler (mit Johannes Alfred Mehnerts Percussion und Tom B. Ralls an der Posaune und am Baritonhorn). Sie spielen Hochzeit und Kreuzigung, Krieg oder Herr und Hund. In ihren kleinen Ritualen und Machtspielen zeigt sich der Stand ihrer Annäherung und gegenseitigen Domestizierung.

Wo Arrabal vor drei Jahrzehnten noch herbe Kritik an Franco und dem Katholizismus versteckte, lösen Altmann & Kraehkamp die politische Parabel in eine spielerische, poetische Groteske auf. Und wo im Stück der Wandel vom naturverbundenen Eingeborenen zum besitz- und machtgierigen Menschen nur über Kannibalismus und wörtlich zu nehmendes Einverleiben des Kaisers geht, packt in „Ei-Land“ der Wilde einfach nur seinen Koffer und zieht in die weite Welt. Dieser Umschwung kommt ein bißchen abrupt und vorschnell. Bis dahin allerdings wurde man in eine ganz und gar eigene Spielwelt hineingezogen. Ausdrucksstarke, bilderreiche Szenen wunderlich-skurrilen Humors, die sich des kompletten Repertoires der Clownerie und des Slapsticks bedienen. Stan und Laurel auf der Insel. Und immer dann, wenn man sich an den Spaß gerade gewöhnen könnte und es nur noch Klamauk zu sein scheint, wird aus der Komödie Drama, wird aus albernem Spiel plötzlich Ernst. Axel Schock

„Ei-Land“, nächste Vorstellungen 10./11. Juni, 20 Uhr im Renaissance-Theater, Hardenbergstraße 6