Der gar nicht diskrete Charme des Dilettantismus

■ HSV siegt gegen Frankfurt und probt danach den freien Fall beim Bungee-Springen

„Warum kommen wir noch?“ – Ein Transparent, das den Westkurven-Zaun zierte. Eventuell könnte die Suche nach dem tieferen Sinn der Daseinsform des HSV-Fans nach dem 3:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt beendet sein. Jedoch nur dann, wenn es sich bei dem Schreiber um einen rein erfolgsorientierten Menschen handelt.

Dem psychisch gefestigteren Teil der 18.600 Zuschauer wurde am Sonnabend beim letzten Saisonheimspiel eine erste Halbzeit geboten, die ihren gar nicht diskreten Charme aus dem Dilettantismus beider Mannschaften bezog. Das Fehlen jedweder Strategie oder Taktik sorgte jedoch dankenswerterweise für zahlreiche Torchancen, die von beiden Sturmreihen kläglichst vergeben wurden. So dauerte es bis zur 62. Spielminute, ehe André Breitenreiter so frei stand, daß die 1:0-Führung nicht mehr zu verhindern gewesen war.

Und plötzlich erinnerten sich die Akteure ihrer Bestimmung: Al-bertz und Spörl spielten kluge Pässe; Ivanauskas ließ sich auswechseln, seine Kollegen schossen Tore: Der Frankfurter Anicic den Treffer zum 1:1-Ausgleich, Albertz und Michael Mason die Treffer zum 3:1-Endstand.

Nach dem Schlußpfiff zog es dann einige der von ständigen „Möhlmann raus“-Rufen ermüdeten Anhänger zur traditionellen „Saisonabschlußfete“ hinter die Haupttribüne, wo beim „Bungee-Jumping“ der freie Fall des verehrten Vereins nachvollzogen werden konnte. Der gutgemeinte Versuch der HSV-Offiziellen, den Fans wenigstens außerhalb des Spielfeldes Erfreuliches zu bieten, fand jedoch nur geringe Resonanz. Wenig verwunderlich, wenn der HSV-Trainer (“Es war nicht eingeplant, daß Letchkov nicht für, sondern gegen das Team spielt“) die Suche nach einem Sündenbock für die HSV-Agonie eröffnet. Teile der „Fans“ schafften es jedoch, des Trainers Niveau bei weitem zu unterbieten: Ein von Hooligans emporgerecktes Transparent zeigte hinter Möhlmanns Namen ein auf „1995“ datiertes Todeskreuz...

Bereits vor der Begegnung war es vor dem Stadion zu Auseinandersetzungen zwischen Hamburger und Frankfurter Hools gekommen, die Polizei nahm 72 Schläger vorläufig fest. Christoph Ruf