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Ohnsorg für Akademiker

■ Männerärsche, Dessousshows und zwei Stunden Beziehungschaos: Im Packhaus ist mal wieder Sommertheater

Ein bischen nackte Haut, Pointen, die mit dem Holzhammer ausgeteilt werden und vier Akteure, deren Mimik und Gestik immer knapp die Hysteriegrenze streift – voilà, schon weiß man, was bis Ende August die BesucherInnen des Packhaustheaters erwartet. Mit dem Stück „Das perfekte Dreieck“, das am Donnerstag vor fast ausverkauftem Haus Premiere feierte, setzte das Packhaus die seit 1979 währende Tradition des „leichten“Sommertheaters fort.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Der erfolglose und dauergeile Nichtsnutz Harold Crowley bumst mehrmals in der Woche mit der erfolglosen Malerin Milly, die zusammen mit dem schwulen und erfolglosen Innenarchitekten Peter in einem Haus wohnt. Harolds Ehefrau Helen ahnt Böses und stellt ihren Mann zur Rede. Der gibt alles zu, wandelt die Wahrheit aber in entscheidenden Details ab. In der Hoffnung, Helens Eifersucht den Boden zu entziehen, erfindet Harold eine Affäre mit Peter. Und der Plan geht auf. Helen schwingt sich zur Mutter Teresa der sexuellen Toleranz auf und fördert nach Kräften Peters Coming out als (angeblicher) Bisexueller. Die Grundlage für ein fast zweistündiges Beziehungschaos ist gelegt, das vor allem tiefe Einblicke in die kleinbürgerlichen Vorstellungen des Autors Arieh Shen über Schwule gewährt.

Joshy Peters in der Rolle von Peter trägt mit Vorliebe Bärenpantoffeln und kein T-Shirt, kennt ausschließlich Substantive, die auf „chen“enden und hat natürlich seine Wohnung mit in Stein gemeißelten Männerärschchen zugestellt. Kurzum: Eine Megatunte, die noch wenn sie Guten Tag sagt, vögeln meint. Wer sowas zum Schreien komisch findet, wird auch mit den anderen Charakteren dieses Ohnorgtheaters für Akademiker keine Probleme haben. Stefan Schneider müht sich, aus Harold einen zunehmend verzweifelten Homophoben zu machen. Martina Rüggebrecht (Helen) nimmt man die Mischung aus grenzenloser Toleranz und Dumpfbackigkeit gegen Ende sogar ab, während Heidi Jürgens (Milly; und eine Kurzrolle als lispelndes Callgirl) ihrer Figur kaum Konturen verleihen kann – wenn man von gelegentlichen Dessousvorführungen absieht.

Immerhin gewinnt die Inszenierung (Regie: Andrea Krauledat/Michael Derda) nach der Pause soviel Schwung, daß die Aufführung einen Eindruck vermittelt, wozu gutes Boulevardtheater in der Lage sein kann. Daß zum Schluß nicht auch noch die muffige Moral der Zweierbeziehung triumphiert, rettet das Stück vor der völligen Bedeutungslosigkeit. Vielleicht gab es dafür den minutenlangen Applaus des Publikums. Franco Zotta

„Das perfekte Dreieck“bis zum 31. August täglich außer montags um 20.30 Uhr im Packhaustheater

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