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Mit Mut zum Flachwitz

■ Interstellarer Geschlechterkampf in der Großraum-Disco: „Shakespeare & Rock'n'Roll“erwies sich in der Messehalle trotzdem als schlechte Mischung

Shakespeare zu modernisieren und mit einer Prise Popkultur aufzupeppen ist an sich keine neue Idee. Das Konzept zum Musical „Shakespeare & Rock'n'Roll“, das gerade in der Stadthalle gastiert, als Novität zu preisen, ist ganz besonders dreist. Shakespeares „Der Sturm“wird als Science-Fiction-Robinsonade auf einem fernen Planeten erzählt – haargenau die selbe Idee lag bereits vor über 40 Jahren Fred M. Wilcox' Filmklassiker „Forbidden Planet“zugrunde. Über 750.000 ZuschauerInnen strömten trotzdem in die Berliner Inszenierung des Stückes. Nach dreieinhalb Jahren mit schwankender Auslastung brach das Ensemble nun seine Zelte in der Hauptstadt ab und stellte sie in Bremen auf, um hier die Musical-Kompatibilität des Publikums zu testen.

Die Handlung ist schlicht gestrickt und dennoch reichlich konfus. Der arrogante Captain Sturm gerät mit seinem Raumschiff in einen Meteoritenregen und notlandet auf einem fremden Planeten. Die hübsche Einheimische Miranda verliebt sich in ihn, doch er mag nichts von ihr wissen, während sie wiederum die Annäherungsversuche des Schiffskochs Cookie zurückweist. All dies sieht Mirandas besitzergreifender Vater Prospero, der auf dem Planeten gefährliche Telekinese-Experimente durchführt, gar nicht gern. Er erschafft im Affekt ein Geisterwesen, für dessen Vernichtung er sich selbst opfert, woraufhin der Planet, den er ebenfalls mit seines Geistes Kraft geschaffen hatte, sich auflöst und alle ganz schnell wegfliegen müssen.

In „Shakespeare & Rock'n'Roll“sorgen live gecoverte Oldies für den Rock'n'Roll- und Textpassagen aus des Dichters Feder für den Shakespeare-Anteil. Da ist es schade, daß die DarstellerInnen alles andere als Shakespeare-Mimen sind. Monoton nuscheln sie ihre Texte, Betonungen kommen und gehen nach dem Zufallsprinzip. Das mag an der deutschen Sprache liegen, mit der etliche der größtenteils aus den USA rekrutierten SchauspielerInnen Schwierigkeiten haben. Oftmals versteht man sie schlicht nicht. In erster Linie wurden sie wohl zum Singen, Tanzen und Musizieren angeheuert, was sie passabel, aber keineswegs außergewöhnlich erledigen. Lediglich Claudia Lahmann als Miranda gibt der Show mit Esprit und Stimmvolumen in einigen Momenten einen Hauch von wahrer Klasse. Ihr kann man als einzigem Ensemble-Mitglied abnehmen, daß sie den Rock'n'Roll im Blut und nicht nur auswendig gelernt hat.

Vergebene Liebesmüh', denn zum Zuge kommt sie selten. Die Inszenierung schreckt vor Soloauftritten zurück. Immer müssen alle auf der Bühne sein und zumindest im Hintergrund Faxen machen, wenn sie schon gerade nichts zu singen haben. Die emotionale Intensität des Stückes strebt somit gegen Null. Vielleicht resultiert diese zappelige Inszenierung aus der Unattraktivität des Bühnenbildes. Das kann zwar mit allerlei Superlativen protzen (Größte Lasershow! Aufwendigste Tour-Bühne!), kommt aber nicht über unangenehmes Großraum-Disco-Flair hinaus.

Ansatzweise amüsant ist zunächst der offensive Mut zum Flachwitz, mit dem die Songs in die Handlung eingebaut werden. Da wird der interstellare Geschlechterkampf mit „It's a Man's World“ausgetragen, und die Meteoriten sind „Great Balls of Fire“. Diese Taktik verbraucht sich aber mit der Zeit, und wenn der ungeliebte Cookie kurz vor Schluß „Only the Lonely“schluchzt, ist das nur platt.

Applaus gab es am Donnerstag dennoch reichlich. Schließlich erzählte ein Stadthallen-Vertreter vorher extra, daß das Musical in Berlin mit Standing ovations verabschiedet wurde. In Bremen animierte das Ensemble die ZuschauerInnen während des Stückes mit simplen Mitmachspielen, nach denen man wunderbar seiner eigenen Leistung applaudieren konnte.

Andreas Neuenkirchen

„Shakespeare & Rock'n'Roll“bis 20. Juli in den Messehallen

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