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Keine Einigung bei Steuerreform

Augenscheinlich kommt die Koalition mit ihrem neuem Modell der Opposition entgegen, doch die lehnt kalt lächelnd ab. Das Kernproblem, die Gegenfinanzierung, ist noch nicht gelöst  ■ Aus Bonn Markus Franz

Nach den Sondersitzungen von CDU und FDP zur Steuerreform am Donnerstag abend haben sich die Einigungschancen mit der Opposition nach Ansicht aller Parteien nicht verbessert. Kaum einer rechnet damit, daß es vor der Bundestagswahl zu einer großen Steuerreform kommen kann.

Die Fraktionen der Koalitionspartner kamen der Opposition augenscheinlich zwar in einigen Punkten entgegen, daß Volumen der Veränderungen beträgt allerdings lediglich 2,5 Milliarden Mark. Hauptkritikpunkt der SPD an dem Steuerkonzept der Koalition ist aber die geplante Nettoentlastung in Höhe von 30 Milliarden Mark. Die Änderungen betreffen vor allem Abmilderungen bei der Streichung von Steuervergünstigungen für Arbeitnehmer. Unter anderem sollen Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge erst ab dem Jahr 2003 voll versteuert werden. Die hälftige Besteuerung der Lohnersatzleistungen wie das Arbeitslosengeld wird fallengelassen. Änderungen sind auch bei der Besteuerung von Lebensversicherungen vorgesehen.

Nach Aussagen von Koalitionspolitikern ging es nicht darum, der Opposition Einigungsangebote zu machen. Der parlamentarische Staatssekretär der CDU, Andreas Schmidt, sagte der taz, der Gewinn der Fraktionssitzungen bestehe vor allem darin, die eigenen Reihen geschlossen zu haben. Nun stehe auch der Arbeitnehmerflügel der CDU hinter dem Konzept. Zudem scheinen sich CDU und FDP näher gekommen zu sein. Beide Seiten bekräftigten, daß der Solidaritätszuschlag 1998 gesenkt werde. Von einer vorzeitigen einseitigen Belastung der Steuerzahler 1998, wie sie von der FDP abgelehnt wird, war bei der CDU nicht mehr die Rede.

Die SPD hat nur Spott für die Beschlüsse von CDU und FDP übrig. Der finanzpolitische Sprecher Joachim Poß sagte: „Die Koalition legt im Grunde folgendes Gesetz vor: Paragraph 1: Die Bundesrepublik Deutschland erhebt Steuern. Paragraph 2: Das Nähere regelt der Vermittlungsausschuß.“ Poß begründete, die wichtigen Fragen wie die Finanzierung oder ein Vorziehen von Teilen der Steuerreform auf 1998 seien offengeblieben. Auch Abgeordnete der Koalition hätten von einer „Reform unter Finanzierungsvorbehalt“ gesprochen. Dies sei ein Mißbrauch des Parlaments und des Vermittlungsausschusses. Die Koalition wolle sich als Steuersenkungspartei darstellen und der SPD die Aufgabe zuschieben, für die unpopuläre Gegenfinanzierung zu sorgen.

Diese Befürchtung scheint nicht ganz unberechtigt zu sein. Andreas Schmidt sagte, „wenn die SPD die Steuerreform blockiert, wird die Bundestagswahl zum Plebiszit über die Steuerreform“. Derjenige gewinne die Wahl, der als Erneuerer dastehe. Und dies könne nicht die SPD sein, zumal sie kein eigenes Konzept in den Bundestag eingebracht habe.

Auch die FDP setzt offenbar weniger auf die Durchsetzung einer Steuerreform als auf eine Quittung für die SPD bei der Bundestagswahl. Der wirtschaftspolitische Sprecher Paul Friedhoff bezeichnete die Steuerkonzepte von Koalition und SPD in der jetzigen Form als „unvereinbar“. Daran hätten auch die Beschlüsse der Koalition vom Donnerstag abend nichts geändert. Er wolle eine Einigungsmöglichkeit aber nicht ausschließen, weil bei der SPD einiges in Bewegung sei. Während die Koalition geschlossen zusammenstehe, gebe es zwischen SPD-Parteichef Oskar Lafontaine und „Leuten“ wie dem niedersächsichen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder sowie dem Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau erhebliche Differenzen.

Kritisch reagierte der Bund der Steuerzahler auf die Beschlüsse der Koalitionsparteien. Die Beschlüsse erschwerten die Finanzierung der Reform, sagte Präsident Karl Heinz Däke. Der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Walter Riester nannte die Zugeständnisse der Koalition reine Taktik. Das Kernproblem der Finanzierung bleibe ungelöst.

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