: Schnörkel auf Papier
■ Die „linearen Phantastereien“Heinrich Vogelers im Worpsweder Barkenhoff
In der Rundung des Buchstabens „J“kauert, umtost vom Meer, eine Nixe. Etwa 200 Bücher hat der Worpsweder Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler (1872-1942) mit derartigen „linearen Phantastereien“ausgestattet. Weil nur wenige Sammler diese Werke kennen, ist im Worpsweder Barkenhoff noch bis zum 31. August die liebevoll zusammengetragene Ausstellung „Heinrich Vogeler – Buchgraphik“zu sehen.
Im Gegensatz zu seinen berühmten MalerkollegInnen Paula Modersohn-Becker, Fritz Mackensen, Otto Modersohn und Hans am Ende hat Vogeler auch Bücher, Häuser, Möbel, Schmuck und Bestecke gestaltet. Etwa 80 Bücher aus dem Worpsweder Archiv der Barkenhoff-Stiftung und privaten Sammlungen belegen Vogelers Position als herausragender Buchausstatter des Jugendstils.
Hugo von Hofmannsthals Werk „Der Kaiser und die Hexe“hat der gebürtige Bremer im Jahr 1900 mit einem prachtvollen Titelblatt in Rot, Grün und Gold versehen: Eine zarte Frauengestalt erscheint zwischen Obstbäumen und Pfauenfedern. Für Clemens Brentanos Buch „Frühlingskranz“hat er 1907 das Vorsatzpapier zwischen Buchdeckel und Buchblock mit Blüten auf lindgrün und lachsrot gestreiftem Grund entworfen.
Mit zeitgenössischen Buchausstattern wie Henry van de Velde (1863-1957) und Otto Eckmann (1865-1902) kann Vogeler nicht verglichen werden. Der Worpsweder sei der „Verschnörkeltste“gewesen, erklärt Ausstellungsorganisator Peter Elze. Sein Festhalten am Jugendstil habe zum Karriereknick geführt – um 1910 gab es kaum noch Aufträge. Eine Rarität ist die Kampfschrift „Das Dritte Reich“von 1934, in der der nach Rußland emigrierte Vogeler die Nazi-Diktatur aufspießt.
Wurde Vogelers Buchgraphik bisher vor allem in eintönigen Vitrinen von Bibliotheken und Stadtbüchereien ausgestellt, so bemüht sich der Barkenhoff jetzt um eine abgerundete Präsentation einschließlich der Original-Möbel, Tapeten und Krüge in Vogelers Haus. Schwarz-weiße Federzeichnungen werden stark vergrößert neben dem kleinen Original gezeigt. Auch eine Titelseite der Münchner Zeitschrift „Die Insel“von 1900 ist zu sehen.
Im Juli soll im Worpsweder Verlag ein Katalog erscheinen, der sämtliche von Vogeler gestalteten Bücher vorstellt. Vom 12. Dezember 1997 bis 24. Mai 1998 folgt anläßlich des 125. Geburtstags des Künstlers in drei Worpsweder Museen die große Retrospektive „Heinrich Vogeler und der Jugendstil“. Sabine Komm (dpa)
„Heinrich Vogeler – Buchgraphik“bis zum 31. August im Barkenhoff, Worpswede
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen