: Ausländerbehörde will Kind abschieben
■ Verwaltung bleibt hartnäckig: 12jähriges Mädchen soll abgeschoben werden, obwohl Eltern nicht auffindbar sind
Die Ausländerbehörde läßt nicht locker: Die 12jährige Vietnamesin H. soll sich am 20. Juni zu einer „polizeiärztlichen Untersuchung einfinden“, bei der ihre Reise- bzw. Flugfähigkeit zur Abschiebung nach Vietnam geprüft wird.
Das Mädchen lebt seit mehr als fünf Jahren in Frohnau bei ihrem Onkel. Sie sollte schon im April abgeschoben werden. Eine Petition der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus verhinderte das bislang. Dem bündnisgrünen Abgeordneten Riza Baran sagte die Senatsjugendverwaltung zu, das Kind dürfe in Berlin bleiben, solange Ingrid Stahmers Behörde sich nicht von der „kindgemäßen Inobhutnahme“ in Vietnam überzeugt habe. Das könnten allein die Eltern des Kindes tun. Die Ausländerbehörde behauptet, sie hätten eine Rückkehr der Tochter gewünscht.
Der Onkel hingegen bekam ein amtliches Schreiben aus Hanoi, wonach die Eltern seines Patenkindes nicht auffindbar sind. Die Adresse, die die Senatsinnenverwaltung hat, sei nach Aussagen des Onkels zehn Jahre alt und nicht mehr gültig.
Die bündnisgrüne Flüchtlingspolitikerin Rita Kantemir befürchtet eine ähnliche Falschauskunft von Schönbohms Behörde wie bereits bei der Abschiebung der ebenfalls 12jährigen Ha Phuong Nguyen im Januar: Auch da hatte die Innenverwaltung behauptet, die Großeltern hätten bei der deutschen Botschaft eine Rückkehr des Kindes gewünscht. Das hatte das Auswärtige Amt jedoch nicht bestätigt. Tatsächlich waren die pflegebedürftigen Großeltern auf die Rückkehr nicht vorbereitet,
H.s Onkel hat im April eine Duldung für das Kind beantragt und ein Adoptionsverfahren eingeleitet. Beides hat nach Auskunft seines Notars gute Aussichten auf Erfolg. Der Onkel glaubte in den letzten Wochen schon sicher, daß H. zukünftig in seiner Familie bleiben darf.
Laut Schönbohms Pressesprecher Thomas Raabe könne dem Kind hingegen kein Aufenthaltsrecht gewährt werden. Ein Antrag wurde 1994 und eine Klage 1995 abgelehnt. Seine Behörde wolle nur prüfen, ob H. wegen akuter Suizidgefahr, die eine Fachärztin attestierte, vorläufig noch in Berlin bleiben darf.
Bei H. gehe es nicht nur um ein Bleiberecht für wenige Wochen, betont die bündnisgrüne Flüchtlingsexpertin Kantemir. Sie abzuschieben hieße, sie aus einer intakten Familie herauszureißen und ins Nichts zu bringen. Kantemir glaubt der Innenverwaltung nach den Erfahrungen mit Abschiebung des Kindes im Januar nicht, daß die Eltern aufgefunden seien. „Eine Abschiebung kommt deshalb einer Kindesaussetzung gleich.“ Marina Mai
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