piwik no script img

Mit Samba gegen Schulruinen

■ Bremer Schülerstreik hat mit Kreuzungsbesetzungen begonnen / Gesamtschule Mitte: Achtung Steinschlag

Samba auf der Kreuzung Am schwarzen Meer / Lüneburgerstr. Rund 150 SchülerInnen der Gesamtschule Mitte und des Schulzentrums an der Hamburgerstraße legten gestern den Verkehr lahm. An insgesamt 16 Bremer Schulen haben Streiks, Aktions-und Projekttage vom 16.6. - 20.6. begonnen. Am Mittwoch ab 9 Uhr findet ein zentraler Aktionstag auf dem Markt statt.

Mit ihrem Protest wehren sich die SchülerInnen gegen eine Überalterung der Lehrerkollegien und fordern Neueinstellungen von jungen Lehrkräften. Sie verlangen Lehr- und Lernmittelfreiheit sowie Ausbildungsplätze. Sie prangern den baulichen Zustand einiger Schulgebäude an und und weisen auf die mangelnde Ausstattung vieler Schulen mit Lehr- und Lernmaterial hin.

Es ist gar nicht so einfach, daß Schulgebäude der Gesamtschule Mitte in der Hemelingerstraße zu betreten. Steinschlag. Aus Wand, Giebel und Fensterstürzen bröckelt der Putz, sitzen Steine locker. Ein normaler Gewerbebetrieb wäre längst via Anordnung geschlossen worden. Statt den Schaden zu beheben wird der Schuleingang einfach zugebrettert und das Gebäude weiträumig gesperrt.

„Willste ne Pizza,“mürrisch zieht ein Schüler durch die Flure und will jedem ein Mittagessen andrehen. „Heute holen wir die von Kiosk und verkaufen sie etwas teurer. Von dem Gewinn werden wir dann morgen richtig kochen.“Gegen drei Stimmen hat die Vollversammlung der SchülerInnen der Gesamtschule Mitte beschlossen, sich am Schulstreik zu beteiligen. Jeden Morgen organisieren sie eigene AG–s. „Wir waren überrascht, wie viele von uns Arbeitsgruppen anbieten,“meint Koordinatorin Nina Schinke. Insgesamt 30 AGs werden für 300 SchülerInnen angeboten. Jonglierern, Sport, Kochen Zeichnen, Schach, Erste Hilfe und vieles mehr steht diese Woche auf dem Stundenplan. Koordinatoren beraten die jüngereMitschülerInnen, wer sich davonstehlen will, wird sanft wieder in den alternativen Unterricht geschickt.

Eine AG ist wieder mal unersätzlich: Bauinstandsetzung und Sanierung. Sechs Schülerinnen streichen den Umkleideraum der Jungen. Der Verschlag im Keller ist nicht mal ein Notbehelf. Die sieben MalerInnen stehn sich in dem engen Kabuff selbst im Wege. „Das ist ja noch nichts gegen den Mädchenduschraum,“sagt eine Mutter, die den Streik unterstützt. Häßlich, dunkel, klein, geflickter Raubeton als Fußboden, verbeutlte Duschleisten und absplitternder Putz, es sieht aus wie ein heruntergekommener Schlachtkoben im Schlachhof.

Nina und Julia kommen so richtig in Fahrt. „Der Kunstraum, ist auch so ein Ding.“Auf dem Weg dorthin ist Vorsicht geboten, letztens fiel ein großer Heizkörper aus der morschen Wand. Die Fensterrahmen darüber sind verfault. Von der Decke lecken Wasserzungen.

KunsterzieherInnen können und sollen von Schönheit schwärmen. Im Kunstraum dieser Schule sind die Linoleumböden aufgebrochen. Das Zimmer ist nicht zu verdunkeln, etwa um sich Dias anzuschauen. Als Gardinen hängen dünne, zerrissen Stoffetzen im Fenster. Auch hier hat Regenwasser Eingang in die Erziehungsanstalt gefunden. Zwei müde Kräne spenden spärtlich Wasser zum Malen, Tuschen, Aquartellieren. Unter den Fenstern platzt der Putz ab.

Der Schrottplatz Schule wäre unzureichend beschrieben würde man die fehlenden Schalldämmplatten in der Sporthalle nicht erwähnen. An der Decke vor der Halle hängen die Platten teilweise zerbrochen und lose in ihrem Rasterlatten. „Dabei haben wir hier schon selbst repariert,“sagt Nina. Anstatt sich während der schulischen Projektwochen mit neuen Unterrichtsformen zu beschäftigen, sind Eltern LehrerInnen und SchülerInnen gezwungen, ihre Schule zu sanieren. Die Behörde stellte die Farbe.

Bislang war politisch kein Geld für Reperaturen da. Presseprecher Ruberg vom Bausenat: „1998 soll außen saniert werden.“Bis dahin, gar bis zur Innensanierung: Lernen im (Um-)Bruch. schuh

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen