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Die britischen Tories stehen vor dem Zerfall

■ Bei der zweiten Runde der Wahlen zum Parteichef der Konservativen dürfte William Hague heute in Führung gehen – seine Gegner drohen mit Parteiaustritt

Dublin (taz) – Der eurofreundliche Tory-Flügel plant den Ausstieg aus der Fraktion, falls William Hague zum neuen Parteichef gewählt wird. Und daran bestehen kaum Zweifel. Heute findet der zweite Wahlgang für die Major- Nachfolge statt. Sollte Hague die absolute Mehrheit verfehlen, muß er übermorgen in der Stichwahl vermutlich gegen den früheren Schatzkanzler Kenneth Clarke antreten, der dem immer kleiner werdenden gemäßigten Flügel angehört. Der Dritte im Bunde, Rechtsaußen John Redwood, hat keine Chance. Derzeit ergeben Umfragen unter den Abgeordneten 51 Stimmen für Hague, 46 für Clarke und 29 für Redwood. 38 Abgeordnete sind noch unentschlossen.

Clarke sagte am Wochenende, daß er keinesfalls in Hagues Schattenkabinett eintreten werde. Er verwies auf einen Brief, den Hague an die Tory-Europaabgeordnete Caroline Jackson geschickt hatte. Unter seiner Führung, so heißt es darin, werde sich Großbritannien mindestens zehn Jahre lang an keiner Währungsunion beteiligen. Clarke hatte gegenüber dem Euro dagegen immer eine abwartende Haltung eingenommen und wollte seine Entscheidung von den ökonomischen Bedingungen abhängig machen.

Ein Abgeordneter aus Clarkes Lager sagte dem Independent, daß etwa ein Dutzend Tory-Abgeordnete die schrittweise Trennung von der Partei vollziehen werden – darunter auch Michael Heseltine, der ehemalige Major-Stellvertreter. Zunächst werde man gegen die eurofeindliche Politik der Parteiführung rebellieren, dann – falls das nichts nützt – aus der Fraktion austreten und schließlich mit den Liberalen Demokraten auf den Oppositionsbänken gemeinsame Sache machen. „Sie treiben uns aus der Partei“, sagte der Abgeordnete, „anstatt uns miteinzubeziehen.“

Clarke warnte, daß Hague mit seinen euroskeptischen Vorstellungen die Partei wie eine Dampfwalze überrollen werde. Er fügte hinzu: „Die Partei wird sich spalten, wenn wir die Wahl zum Parteichef gleichzeitig zur Entscheidung über bestimmte Schlüsselthemen machen, noch bevor die politische Debatte darüber begonnen hat.“

Genau das hat Hague jedoch vor. „Wenn ich als Führer der Konservativen Partei gewählt werde“, sagte er, „dann erwarte ich, daß jeder in meinem Schattenkabinett meine Politik unterstützt.“ Und einer von Hagues Leuten fügte hinzu: „Wir werden uns nicht erpressen lassen. Wenn sie gehen wollen, dann sind wir sie endlich los.“ Clarkes Berater streiten öffentlich ab, daß er im Falle einer Niederlage die Partei verlassen wolle.

William Hague gehörte schon vor 20 Jahren dem rechten Flügel an. Damals war er 16 und hielt als Sprecher des konservativen Nachwuchses eine flammende Rede auf dem Parteitag. Die Partei müsse sich radikalisieren, rief er, „andernfalls können wir uns unsere Zukunft abschminken“. Margaret Thatcher war von dem jungen Mann so angetan, daß sie ihm eine große Zukunft prophezeite und ihn mit William Pitt dem Jüngeren verglich. Der war 1783 mit 24 Jahren Premierminister geworden, mit 46 war er tot.

Hague will in diesem Alter spätestens Regierungschef werden, wenn es in fünf Jahren bei den nächsten Wahlen noch nicht klappen sollte. Während des Wahlkampfes um die Tory-Führung ist er jeden Tag ein Stückchen weiter nach rechts gerückt. Hatte man ihn anfangs für einen Mann der Mitte gehalten, der die Partei einigen könnte, so ist seine Haltung gegenüber Europa immer feindseliger geworden. Vorgestern versprach er, daß er jegliche Entscheidungsbefugnisse, die Premierminister Tony Blair künftig an Brüssel abtrete, wieder rückgängig machen werde. Ralf Sotscheck

Kommentar Seite 10

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