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Sexgöttin und Hosenschiß: Die Eröffnung

Eigentlich sollte sie verbrannt werden. Doch sie lächelt, kämmt sich mit Hingabe und drapiert ihre Nacktheit vor der starren Kamera. Ihr Blick, der im letzten Jahrhundert einfach unerhört gewesen sein muß, hat für viele Jahrzehnte niemanden getroffen. Die Papierfilme, in denen sich in Hunderten von Bildern, die kühnen Animiergesten der Unbekannten unbeachtet übereinanderlegen, stapelten sich in vergessenen Hinterräumen der New Yorker Library of Congress.

Bill Morrisons The Film Of Her, mit dem am Mittwoch der erste Wettbewerbsblock des Kurzfilmfestes eröffnete, läßt die Kokette wieder tanzen. Er entspinnt eine Liebesgeschichte zwischen der fossilen Sexgöttin und ihren erdachten und tatsächlichen Archivaren. Dabei kompiliert der Film kunstvoll und leichthändig das wiederbelebte Material immer wieder mit eher industriellen Aufnahmen, die diesen unbekannteren Teil der Filmgeschichte in die Prozesse der Verwertungsindustrie einspannen.

In Malcolm Venvilles Silent Film hört man nichts als das leichte abfällige Fiepen, mit dem die taube Hauptfigur den Zigarettenrauch ihrer unliebsamen Tischgesellschaft entgegenpustet. Oder ihr schnelleren Atem beim ersten Tanz, ihre heftigen Luftstöße, wenn ihre Wut zu groß wird, um mit Gebärden erledigt zu werden. Eine stumme und doch komplette Liebesgeschichte vom ersten Walzer bis zum ersten Seufzer. Überflüssig und angestrengt besorgt hingegen: Double Jeu, der zwar bestechend professionell gemacht ist, aber doch nur wieder die Schauergeschichte von dem Computer als virtueller Hexenküche erzählt und von Männern, die lieber einen Joystick in der Hand halten, als ihre Gattin zu beachten.

Auch Stefan Elings animierter Killing Heinz nimmt die Katastrophen in seiner kleinen grauen Welt auf amüsante Weise nicht wahr. Doch wenn sein Fernseher abdrückt, haut es ihm den halben Schädel weg. Etwas muffig und moralisch kommt schließlich Fork In The Road daher mit seinen großen und kleinen Kinderspielen, in denen Unterdrückungslust und Hosenschiß sich die Waage halten. big

Wiederholung des Wettbewerbsblock 1, Sa, 20 Uhr, 3001

Heute : Wettbewerbsblock 2, 20 Uhr, Passage 2

Wettbewerbsblöcke 5 und 6, 18 und 20 Uhr, Markthalle

Wettbewerbsblöcke 8 und 7, 18 und 22.30 Uhr, 3001

No budget-Wettbewerb 3 und 4, 20 und 22.30 Uhr, Metropolis

Außerdem läuft die Dokumentation „Gallivant“, 22.30 Uhr, Zeise

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