Der Kronprinz verliert an Glanz

Innensenator Jörg Schönbohm hat im vergangenen Jahr einen imposanten Einstieg gehabt. Inzwischen wächst die innerparteiliche Kritik, und seine Vorstöße gehen vielfach über markige Worte nicht hinaus  ■ Von Barbara Junge

April 1997, CDU-Parteitag. Standing ovations für Jörg Schönbohm. Die Hochphase der markigen Worte zur Abschiebung bosnischer Kriegsflüchtlinge. Und der Berliner Innensenator gibt bundesweit den scharfen Ton an. Diese Politik danken ihm die Delegierten lautstark. Die Parteitagsregie aber hatte sich das anders gedacht. Irritiert greift der Parteivorsitzende Eberhard Diepgen ins Geschehen ein: Er unterbindet die Ovationen und stimmt das Hohelied auf die unscheinbare Sozialsenatorin Beate Hübner an.

Der Applaus für Schönbohm täuscht, denn längst ist das Klima für den ehemaligen General härter geworden. Der Bonner Import, den sich die CDU als starken Mann in die Hauptstadt geholt hat, der, ganz nach dem Geschmack der Konservativen, mit den Linken und Alternativen seit Januar vergangenen Jahres aufräumt, hat an Glanz verloren. Zu eigenständig agiert er, zu mächtig scheint er dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen zu werden. Die Parteispitze der Christdemokraten befindet sich in einem Zwiespalt: Als Senator ist Schönbohm gut, fast zu gut.

Aber auch in der Partei selbst ist Schönbohm zunehmend umstritten. Seine Parteifreunde – auch wenn das keiner offen zugibt – murren hinter vorgehaltener Hand zunehmend darüber, daß er sich als heimlicher Chef der CDU geriert und damit den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen düpiert. Sei es sein ureigenstes Fach, die Ausländerpolitik, sei es die Tonart der nationalen Selbstbesinnung oder der Umgang mit der PDS: Schönbohm übernimmt den Dirigentenstab, und Diepgen bleibt im Hintergrund. „Jörg Schönbohm läßt Tendenzen erkennen, sich gegenüber Eberhard Diepgen im Senat illoyal zu zeigen“, kritisiert außerdem ein CDU-Abgeordneter das Profilierungsstreben des Innensenators. „Illoyalität ist der falsche Begriff, aber Schönbohm schlägt meist ein anderes Tempo an als Diepgen“, heißt das in der offiziellen Lesart des Senats.

Solcherlei Streben indes sehen die ChristdemokratInnen nicht gern – trotz aller parteiinternen Kritik an der schwachen Figur ihres Parteivorsitzenden. Eine Kritik, die von rechts wie von links zunimmt. Diepgen steht unter starkem Druck aus Bonn. Doch dem Mann, der sich als neue Führungsfigur anbietet, wird der eigene Elan bisweilen zum Verhängnis.

Februar 1997. Kleine Gruppen der rechtsextremen „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) sind in Ostberlin doch aufmarschiert, der Innensenator konnte oder wollte es nicht verhindern. „Wir brauchen keinen Antifaschismus in Berlin“, verkündete er selbstbewußt in die Kameras – und sah ungewohnt angeschlagen aus. Wo er sonst mit seinen Fanfaren gegen die Linke der Stadt Unterstützung in der Partei findet, blieb es merkwürdig still. Plötzlich stand er allein vor den Kameras und mußte sich rechtfertigen. Kein Landowsky, der ihm an die Seite sprang.

Kritik an militanten AntifaschistInnen sind die eine Sache, doch der Innensenator hatte eines übersehen: daß die Bezirksverordnetenversammlung Hellersdorf mitsamt den CDU-Abgeordneten gegen die Jungrechten eingetreten war. „Unsere eigenen CDU-Bezirksabgeordneten haben doch gegen die Rechten mobilisiert“, echauffierte sich ein Ostberliner CDU-Mann. „Der Schönbohm hat einfach kein Gespür für den Osten“, so sein vernichtendes Fazit. Und selbst der christdemokratische Scharfmacher Dieter Hapel, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, hatte von Schönbohm gefordert, ein Verbot zu prüfen.

Die Szene offenbart, daß der gelobte Importstar auf Dauer Probleme hat, sich jenseits markiger Worte durchzusetzen. Auch mit einem wahltaktischen Vorstoß stand Schönbohm plötzlich allein in der politischen Landschaft. In einem Interview mit der Welt am Sonntag sagte er: „Wir müssen überlegen, wie wir verhindern können, daß die PDS 1998 die drei Berliner Direktmandate erhält und erneut in den Bundestag einzieht.“ Die Partei dankte ihm seine Initiative nicht, statt dessen gab es einen ungeschminkten Korb. Generalsekretär Gerhard Lawrenz sagte gegenüber dem Tagesspiegel: „Der Vorschlag von Jörg Schönbohm ist ehrenwert, aber er kann nicht funktionieren.“ Und Klaus Landowsky machte klar, daß er den Wahlkampf ohnehin in Westberlin zu gewinnen gedenkt. „Wir haben nicht weiter über das Thema geredet“, konstatierte vor wenigen Tagen denn auch Schönbohms Sprecher Thomas Raabe.

Zumindest die Ausländerpolitik des Hardliners scheint innerparteilich von Erfolg gekrönt zu sein. Aber mit seinem Engagement zur Abschiebung bosnischer Flüchtlinge und seinen Thesen zur Ausländerintegration – die „keine Einbahnstraße“ sein könne – findet Schönbohm nicht nur Freunde in der eigenen Partei. „Er muß eben die rechte Klientel bedienen“, bedauert ein liberales CDU- Mitglied. Ungeteilt ist die Zustimmung auch auf der rechten Flanke nicht. Angesichts der knapp dreißigtausend Flüchtlinge reichen so manchem Bezirksverband die Maßnahmen zur Abschiebung einzelner BosnierInnen nicht mehr. Und sie wissen: Schönbohm darf nur das Gegengewicht zum moderaten Diepgen spielen, Handlungsfreiheit hat auch der Innensenator nicht.

Und schon droht der nächste Reinfall: Kaum einer hat wie Schönbohm seine Glaubwürdigkeit mit der Bezirks- und Verwaltungsreform verbunden. Während jedoch die Verwaltungsreform nur sehr schleppend anläuft und sich gerade mal die Sozialverwaltung anschickt, die Umstrukturierung zu realisieren, steht der Innensenator mit der Bezirksreform vor einem Scherbenhaufen in der eigenen Partei. Schönbohm will in der Bezirksgebietsreform den Weg der zwölf Bezirke bis 1999 weitergehen. Ungeachtet der Senatsvorlage von Schönbohm gibt allerdings der CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky den Ton an. Landowsky nennt noch immer Schönbohms Reformprojekt ein „unerotisches Thema“, läßt sich nicht auf zwölf Bezirke festlegen und auf 1999 schon gar nicht. Damit hat der begnadete Populist Landowsky dem strengen Innensenator mal wieder die Show gestohlen. Und Schönbohm muß seine Vorlage auf höheres Geheiß nachbessern. Auch wenn Diepgen nun von seinen Getreuen verlangt, die Bezirksgebietsreform müsse bis zu seinem Sommerurlaub im Juli durch den Senat gegangen sein – ein Erfolg kann es für den Innensenator nach der innerparteilichen Ohrfeige nicht mehr werden.