Mit Leib und Seele im Geschäft

Andrea von Knoop repräsentiert in Rußland die deutsche Wirtschaft. Trotz vieler Hindernisse hat sie ihre Aufgabe erfolgreich gemeistert. Mit unermüdlichem Einsatz und Liebe zu dem Land  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Gewisse russische Patrioten behaupten, der Rest der Welt sei nur darauf aus, ihr Land zum Rohstofflieferanten zu degradieren. Solche Leute können Dr. Andrea von Knoop (51) nicht kennen. Ihr offizieller Titel lautet: „Delegierte der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation“, sie betreibt Busineß mit Seele und ist zutiefst davon überzeugt, daß deutsche Investitionen die Wirtschaftskraft Rußlands stärken. Als Leiterin der „Delegation der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation“ – seit 1993 die Moskauer Repräsentanz des deutschen Industrie- und Handelstages – ist sie Ansprechpartnerin für alle an Wirtschaftskontakten interessierten Firmen, Vereine, Städte und Stiftungen beider Länder. Später wurde sie geschäftsführendes Mitglied des 1995 entstandenen „Verbandes der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation“. Darin fanden sich zwecks Interessenvertretung und Umfeldforschung bisher 250 von den bereits etwa 800 in Moskau vertretenen deutschen Firmen zusammen. „Delegiertenbüro“ und „Verband“ beschlossen bewußt, die deutsche Wirtschaft in Moskau solle „mit einer Stimme“ sprechen, nämlich mit Andrea von Knoops.

Das marmorglänzende „Haus der deutschen Wirtschaft“ in der Kosaken-Gasse des Moskauer Altstadtviertels Samoskworetschie beherbergt heute beide Institutionen. Als es am 5. März dieses Jahres eröffnet wurde, stand die Wirtschaftsmaklerin neben Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt, Vertretern der russischen Regierung und Honoratioren der Stadt Moskau auf der Plattform des Paradeaufgangs. Offenbar hatte sie ein paar Nächte wenig geschlafen, das naturgewellte Haar war vom plötzlichen Schneefall drisselig geworden und die tiefe „gemeinsame Stimme“ heiser. „Mein Gott“, sagte da hingerissen eine Mitarbeiterin des Moskauer Goethe-Instituts: „Anstatt nur zu reden, wäre die Frau doch auch als Chansonsängerin effektvoll!“

Bei näherem Hinhören klingt die „gemeinsame Stimme“ leicht rheinländisch. „Dassis aber schön, daß Sie mich wieder mal interviewen wollen. Nich, daß unsereiner hier immer ackertunackert unniemand merktes!“ sagt sie. Als Schülerin und Studentin hat Andrea von Knoop in Köln gelebt. Im übrigen beweist der Satz: Anders als zahlreiche deutsche Wirtschaftsbosse, ist sie keineswegs arrogant. Sie hat zuviel im Kopf, um sich aufblasen zu müssen.

Der Code zum Knacken dieses Landes scheint ihr von Geburt an einprogrammiert. Ihre Erfolgsstory begann 1965, als sie nach dem Abitur auf einer Chemiemesse in Moskau jobbte. Sie entschloß sich, osteuropäische Geschichte und Slawistik zu studieren, und wohnte 1971 ein Jahr lang als Austauschwissenschaftlerin mit Sowjetbürgerinnen im Wohnheim der Moskauer Universität. Nach der Promotion in Geschichte begann sie noch einmal von vorn – mit einer Trainee-Ausbildung bei der Dresdner Bank. Für diese wechselte sie als Fachfrau für Geschäfteanbahnungen 1975 wieder nach Moskau über. Nach einer kurzen Ehe – ihr Mann starb an einer schweren Krankheit – brauchte sie ein „eisernes Arbeitskorsett“ und fand es wieder in Rußland, wo sie jahrelang für zwei weitere deutsche Großbanken tätig war. Anschließend pendelte sie zwischen Frankfurt und Moskau als Prokuristin der Arthur Andersen & Co GmbH Management- Beratung und als Generaldirektorin des Joint-ventures „Arthur- Andersen in der UdSSR“. Dies war die erste ausländische Firma, welche die Sowjetregierung Betriebsprüfungen vornehmen ließ.

Bis heute bewährte sich von Knoops Leitsatz, durch hartnäckige Präsenz zu wirken: „Ein gutes Beziehungsnetz ist in diesem Lande wichtiger als irgendwo sonst in der Welt“, sagt sie: „Einen Herren namens Tschernyschow kenne ich seit 1975, da leitete er die Abteilung für auswärtige Beziehungen bei der Staatsbank der UdSSR. Vor zwei Jahren rief er an und sagte, er sei nun im Regierungsapparat. Und jetzt ist er in einer leitenden Position bei der Toko- Bank.“ Ihr Rat nach zwei Jahrzehnten: „Ein Nein hat in Rußland niemals eine endgültige Bedeutung. Fast immer kann man Hilfe mobilisieren, um es zu umgehen.“

Otto Wolff von Amerongen hat sie einmal „bienenfleißig“ genannt. Da war Andrea von Knoop leicht befremdet: „Bienenfleißig kann jemand auch nach Feierabend den Garten umgraben, aber ich engagiere mich hier mit Haut und Haaren. Man muß Rußland mit all seinen Eigenheiten lieben, um hier langfristig gerne zu leben und zu arbeiten, obwohl immer noch alles dreimal mühsamer ist als in Deutschland.“ Zu den Dingen, die sie „immer wieder sehr verärgern“, zählt die Hausherrin in der Kosaken-Gasse die Unlust der RussInnen, auf Einladungen zu antworten. „Da kann fünfmal dick und fett stehen: um Antwort wird gebeten!“ klagt sie: „Bei der Eröffnung des Hauses der Deutschen Wirtschaft wußten wir bis zur letzten Minute nicht, wer von russischer Seite erscheinen würde!“

Einladungen, die die Delegierte der Deutschen Wirtschaft ihrerseits erhält, machen für sie den Vierzehnstundentag zur Regel: „Da kommt immer wieder die Bitte, eine Ansprache zu halten, wenn Büros eröffnet werden oder Repräsentanten wechseln. Und da bestehen die Leute denn drauf, daß ich es bin.“ Oft besucht sie am Abend zwei Veranstaltungen hintereinander und kehrt selten früher als gegen 23 Uhr nach Hause zurück. Auch erlaubt sie sich selten mehr als eine Woche Urlaub am Stück. Der Freizeitmangel trifft sie allerdings relativ wenig, denn, so versichert sie: „Noch immer macht mir meine Arbeit auch rasend Spaß. Es tut mir nur leid, daß ich sowenig Zeit für meine alten russischen Freunde habe.“ Auf die Frage nach möglichen Nachteilen für eine Frau im Geschäftsleben antwortet sie prompt: „Na ja, das fuchst einen schon, wenn nach einem langen Geschäftsessen die Herren alle zu Bett gehen, aber unsereiner muß sich noch die Nägel maniküren!“ Ansonsten meint sie: „Hier, wie überall in der Welt wirst du zuerst auf deine Kompetenz getestet. Wenn du die aber nachweisen kannst und bist zufällig weiblich, dann hast du es in Rußland vielleicht leichter als im Westen“.

Immerhin etwas läßt Andrea von Knoop manchmal erwartungsvoll an die eigene Pensionszeit denken: zu gern würde sie sich als Historikerin in die Geschichte der Verwandten ihres verstorbenen Mannes vertiefen, dessen Familiennamen sie trägt. Ironie des Schicksals führte dazu, daß sie von der russischen Boulevardpresse in den letzten Jahren hartnäckig als Sproß dieses Clans vorgestellt wird. „Die Baronesse aus dem Kosaken-Gäßchen“ übertitelte zum Beispiel die Zeitung Trud einen Artikel über sie. Die Barone von Knoop betrieben im vorigen Jahrhundert unter anderem die Textilfabrik „Krenholm“ in Narva, die sich zum größten Textilkombinat der Sowjetunion mauserte. In Rußland war zeitweise sogar ein Sprichwort im Schwange, das besagte: „In der Kirche sitzt der Pop', in der Fabrik aber der Knoop.“ Andrea von Knoops Ehemann gehört aber nicht zu jenem Zweig der Familie und trug auch keinen Barontitel. Trotzdem kramt die Delegierte der Deutschen Wirtschaft selbstvergessen in Akten und Artikeln über das Treiben der von Knoops, ihre Stammvillen und Grabstätten in Rußland: „Das könnt' ich stunden- und stundenlang!“

Noch denkt Andrea von Knoop aber nicht daran, sich auf ihren Loorbeeren auszuruhen. Die Eröffnung des Hauses der Deutschen Wirtschaft, bisher die einzige ausländische Vertretung dieser Art in Moskau, könnte manchem als Krönung eines Lebenswerkes durchgehen. „Aber“, gibt sie zu bedenken: „Das Haus ist doch nur ein Symbol. Die tätigen Faktoren sind das Delegiertenbüro und der Verein. Und die würde ich gern noch stärker sehen.“ Das „Delegiertenbüro“ hat drei Außenstellen, in Sankt Petersburg, Nowosibirsk und Kaliningrad, aber – Putzfrauen und Fahrer nicht gerechnet – sechs Mitarbeiter in Moskau. Der freiwillige „Verband“ verfügt über elf feste Mitarbeiter. Diese Voraussetzungen reichen nicht, um den vielen Einladungen aus der russischen Provinz gerecht zu werden. Es „schmerze“ sie, daß sie nicht noch mehr Projekte vor Ort identifizieren könne, sagt die Delegierte der deutschen Wirtschaft. Aber für sinnvoll hält sie solche Reisen nur, wenn diese auch entsprechend vorbereitet werden können: „Mit einer Sightseeing- Tour ist es da nicht getan!“. Letztes Jahr hat sie einmal bei solch einer Reise in die Provinz, mit deutschen Firmenrepräsentanten in knapp drei Tagen neun russische Unternehmen besucht. „Die Kontakte mit den Regionen auszubauen“, sagt Andrea von Knoop, „das ist meine Passion.“

Das mittelfristig gedachte Ziel, die Delegation der Deutschen Wirtschaft und den Verein der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation zu einer bilateralen deutsch-russischen Handelskammer zu vereinigen, will nicht näher rücken. In den letzten Jahren haben sich hartnäckige Hindernisse aufgetürmt, so im russischen Steuerrecht und seiner Handhabung, die allen Firmen im Lande das Leben erschwert. Obwohl hier nicht die schnelle Mark zu machen ist, halten sich die deutschen Unternehmen in Rußland vorerst tapfer. Nur ein gutes Dutzend zog sich in den letzten beiden Jahren zurück, während genauso viele neu hinzukamen. Andrea von Knoop erblickt in solchen Erfahrungen offenbar nur eine Herausforderung zu weiterer Aktivität.

Von ihren Tränen erwähnt sie nur solche, die aus Freude flossen. Zum Beispiel Ende 1995, als sie als erster und einziger Ausländer in den Vorstand des „Klubs der Direktoren beim Verband der russischen Industriellen und Unternehmer“ gewählt wurde. „Das war für mich ein ungeheuerer Vertrauensbeweis. Da finden Sitzungen mit Regierungsmitgliedern hinter geschlossenen Türen statt, bei denen die Fetzen fliegen. Die Russen lassen mich wohl dabeisein, weil sie wissen: Ich meine es herzlich und verstehe ihre Probleme.“ Vor Rührung weinte sie auch auf dem Flughafen Scheremetjewo, das einzige Mal in ihrem Erwachsenenleben, als sie es fertiggebracht hatte, Rußland ein Jahr fernzubleiben: „Die Leute haben sicher gedacht, da dreht so eine Emigrantin durch, die seit Jahrzehnten keine Heimaterde mehr berührte.“