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Alle suchen den einstigen Chef der Roten Khmer

■ Nach seiner angeblichen Festnahme fehlt von Pol Pot auf einmal wieder jede Spur

Phnom Penh (taz) – „Die schwarze Wolke der Pol-Pot-Diktatur, die sich 1975 über unser Volk legte, hat sich nun aufgelöst und ist vollständig vom kambodschanischen Volk beseitigt worden.“ Mit dieser Erklärung gab der geheime Radiosender der Roten Khmer Spekulationen über das Schicksal ihrer Führung neue Nahrung. Pol Pots Herrschaft über die Guerillabewegung sei zu Ende, verkündete der Sender am Mittwoch abend. Der Mann, dessen Anhänger sich in einem blutigen Machtkampf gespalten haben sollen, habe „aufgegeben und gestanden“. Unklar blieb jedoch, wo Pol Pot steckt und wem er sich ergeben haben soll. Offen ist ebenso, was der Gewaltherrscher, unter dessen Regime eine Million Menschen umgekommen sind, „gestanden“ haben soll. „Pol Pot hat sich heute abend mit 15 Leuten ergeben“, sagte ein hochrangiger Offizier der kambodschanischen Regierungsarmee, General Nhiek Bun Chhay, ebenfalls am Mittwoch. Der General erklärte, er sei gerade von persönlichen Verhandlungen mit den Führern der Roten Khmer in deren Hauptquartier Anlong Veng zurückgekehrt. „Die Roten Khmer sagen, sie wollen ihn festhalten, damit er vor ein internationales Tribunal gestellt werden kann.“

Die Radiomeldungen und der Bericht des stellvertretenden Chefs des Generalstabes wären sensationell, wenn sie wahr sind. In Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh bestehen daran erhebliche Zweifel. Es gebe bislang keine Beweise, daß Pol Pot wirklich abgesetzt worden sei, warnen Beobachter. Der zweite Premierminister Hun Sen erklärte gestern: „Ich betrachte das als Trick.“ Die Roten Khmer versuchten der Öffentlichkeit vorzugaukeln, daß sich die Politik der Organisation durch den Sturz ihres Führers ändern werde. Doch der Premierminister der „provisorischen Regierung“ der Roten Khmer, Khieu Samphan, vertrete dieselbe Linie wie sein Vorgänger. Die Taktik der Gruppe sei klar: Sie opfere Pol Pot, um wieder eine Rolle in Kambodschas Politik spielen zu können. Jutta Lietsch

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