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Demirel hat die Wahl

■ Wen macht der türkische Präsident zum künftigen Regierungschef?

Ankara (AFP) – Nach dem Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan ist gestern zwischen seiner Koalitionspartnerin, Außenministerin Tansu Çiller, und Oppositionsführer Mesut Yilmaz ein Machtkampf über den künftigen Regierungsvorsitz entbrannt. Bei einer Unterredung mit Staatspräsident Süleyman Demirel sprach sich Yilmaz, der Chef der rechten Mutterlandspartei (Anap), für eine Regierung der weltlichen Parteien unter Ausschluß von Erbakans islamistischer Wohlfahrtspartei (RP) aus. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei der Demokratischen Linken (DSP), Bülent Ecevit, sagte seinerseits nach einem Treffen mit Demirel, er hoffe, daß Yilmaz mit der Regierungsbildung betraut werde. Çiller beanspruchte das Amt der Regierungschefin für sich und kündigte an, daß sie das Bündnis mit Erbakan fortsetzen werde.

Mit Spannung wurde deshalb gestern bis zum Abend erwartet, wen Demirel bis zur Ausschreibung von vorgezogenen Neuwahlen mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen wird. Theoretisch hat Yilmaz größere Chancen als Çiller, den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten. Denn seine Mutterlandspartei ist im 550 Sitze zählenden Parlament nach der Wohlfahrtspartei die zweitstärkste Fraktion vor Çillers Partei des Rechten Weges. Andererseits dürfte Yilmaz Schwierigkeiten haben, eine tragfähige Regierungsmehrheit zustande zu bringen. Mit Unterstützung der beiden sozialdemokratischen Gruppierungen und rechtsgerichteter Abgeordneter hätte er nur etwa 260 Parlamentarier hinter sich, während sich für die beiden bisherigen Regierungsparteien mit Unterstützung der rechtsextremen Großen Einheitspartei (BBP) eine absolute Mehrheit von gut 280 Mandaten ergibt. Erbakan hatte unter dem Druck der Militärs am Mittwoch seinen Rücktritt als Ministerpräsident eingereicht und seine Koalitionspartnerin Çiller als Nachfolgerin vorgeschlagen.

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