: Einmischung bringt mehr Schaden als Nutzen
■ In Brüssel tagten Vertreter der ärmsten Länder bei einem Gegengipfel. Dabei standen das Recht auf eigene Gestaltung und Entwicklung im Mittelpunkt
Brüssel (taz) – Samstag abend endete der viertägige P7-Gipfel, zu dem die Grünen im Europäischen Parlament namhafte Persönlichkeiten aus sieben der ärmsten (Poorest Seven) Länder der Erde als Kontrastprogramm zum G7- Gipfel eingeladen hatten.
„Wir wollen den Entwicklungsländern ein Forum schaffen für ihre Kritik an der Politik des Nordens und für ihre Gegenvorschläge“, erklärte der Europaparlamentarier Wilfried Telkämper, Denn beim G7-Gipfel in Denver berieten die sieben reichsten Industrienationen am Wochenende auch über geeignete Wachstumsstrategien für Afrika. Einen wahren Wirtschaftsboom wollen die G7-Länder, allen voran die USA, den ärmsten Regionen der Welt bescheren und dafür alle gesetzlichen Hindernisse aus dem Weg räumen.
„Am Ende werden noch diejenigen Regierungen bestraft, die es aus sozialen, ökologischen oder rechtlichen Gründen wagen, den Investoren Bedingungen zu stellen“, kommentierte Vandana Shiva aus Indien diese Politik. Als Antwort hatte sie die „Zehn Gebote der Globalisierung“ parat: angefangen von „Kein Recht auf Moral, Arbeit und Identität“ bis hin zur Aufforderung an die Staaten, alle natürlichen Ressourcen am besten gratis an transnationale Unternehmen abzugeben.
Die einzelnen Diskussionsrunden behandelten das Thema Armut unter den verschiedensten Aspekten: Demokratie, Menschenrechte, Einkommensverteilung, Gesundheit, Lage der Frauen, Bildung und Klimaveränderungen ebenso wie Fischereiabkommen. Die Eingangsreferate der Frauen aus Pakistan und Somalia machten deutlich, daß die Versuche der Industrieländer, von außen ein Verbot der Kinderarbeit durchzudrücken, die Lage der Kinder und ihrer Familien nur verschlimmern. Es müßten Unternehmen gefördert werden, die den arbeitenden Kindern nachweislich den Schulbesuch oder eine Ausbildung ermöglichen. 80 Prozent der Kinder arbeiten allerdings im informellen Sektor oder im Haushalt der Familien, wo niemand dafür sorgt, daß sie zur Schule gehen.
Zur systematischen Diskriminierung von Frauen ihres Landes sprach Taslima Nasrin aus Bangladesch: „Ihr ganzes Leben lang steht die Frau unter männlicher Kontrolle. Als Kind wird sie vom Vater bewacht, als Ehefrau ist sie Sklavin ihres Mannes, und im Alter bewacht sie der eigene Sohn.“ Wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte wurde die Ärztin und preisgekrönte Schriftstellerin 1994 von Muslimfundamentalisten mit der Fatwa belegt und mußte ihr Heimatland verlassen. Ihre Forderungen nach gleichem Zugang von Mädchen und Frauen zu Schulausbildung, Land, Arbeit, gleichen Arbeitsbedingungen und nach Maßnahmen seitens der Staaten und internationalen Gemeinschaften, um diese Rechte zu schützen, wurden in Brüssel begeistert aufgenommen. Ebenso die Ankündigung, die Initiative der Grünen fortzusetzen und regelmäßig parallel zum G7-Gipfel zusammenzukommen. Carola Schmitz
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