: Schwarzarbeit lohnt sich immer noch
■ Norbert Blüm wollte 100.000 sozialversicherte Jobs schaffen. Aber die neuen „Haushaltsschecks“ für Babysitter und Putzfrauen werden nicht akzeptiert
Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hatte es nur gut gemeint. Mit dem neuen „Haushaltsscheckverfahren“ wollte er 100.000 neue Jobs schaffen. Sozial abgesicherte Jobs. Fehlanzeige: Wie es aussieht, kommen über das neue Verfahren bestenfalls einige hundert Stellen in Privathaushalten zusammen. Die Resonanz auf die seit Januar geltenden Schecks sei „äußerst mager“, erklärt Hans Hungenberg, Referent beim Bundesverband der AOK.
Der Haushaltsscheck erleichtert den bürokratischen Aufwand, Tagesmütter und Putzfrauen bei der Sozialversicherung anzumelden und die Beiträge abzuführen. ArbeitgeberInnen füllen einfach nur das Formblatt aus und schicken es an die zuständige Krankenkasse. Die Sozialversicherungsbeiträge werden dann von ihrem Konto abgebucht.
Dies stößt auf wenig Begeisterung: In den ersten zwei Monaten dieses Jahres wurden bundesweit noch nicht mal 300 Haushaltskräfte über das neue Verfahren bei den Sozialversicherungen angemeldet. Zum Stichtag 1.Juli, wird neu gezählt. Die Barmer, Deutschlands größte Ersatzkasse, rechnet damit, daß sich ihre Februar-Zahlen bis dahin nicht mal verdoppelt haben: „Wir schätzen, daß bei uns bundesweit höchstens 100 Schecks zusammenkommen“, sagt Elke Heinzel von der Barmer-Hauptverwaltung in Wuppertal.
Bei der AOK in der 3,6-Millionen-Stadt Berlin sind bisher gerade mal 33 Schecks eingetrudelt, bei der Barmer in Berlin nicht mal 20. „So werden keine neuen Jobs geschaffen“, meint Hungenburg.
Von der großen Idee ist wenig übriggeblieben. Experten von der Bundesanstalt für Arbeit hatten ein Potential von 1,6 Millionen sozialversicherungspflichtigen Jobs in deutschen Küchen und Kinderzimmern ausgemacht. Nur: Die meisten HausherrInnen und die ArbeitnehmerInnen haben es lieber schwarz. „Die sagen sich, warum soll ich was abgeben an die Sozialversicherungen?“, schildert Viola Matzke, Sprecherin der Barmer in Berlin.
Wer 15 Mark netto die Stunde an die Tagesmutter zahlt, dem würde von der Krankenkasse glatt noch mal sechs Mark pro Stunde an Sozialversicherungsbeiträgen vom Konto abgezogen. „So was macht keiner, ohne einen eigenen Nutzen davon zu haben“, sagt Joachim Schermer, stellvertretender Abteilungsleiter beim Verband der Angestelltenkrankenkassen.
Der „eigene Nutzen“, das sollte die von Blüm verfügte neue Steuerersparnis sein. Wer eine Kinderfrau oder Haushaltshilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt, kann seit diesem Jahr bis zu 18.000 Mark der Lohnkosten von der Steuer absetzen. Das lohnt sich aber nur für Hochverdiener und bei bestimmten Wochenstundenzahlen.
Zusätzliche legale Jobs entstehen nicht durch das neue Gesetz. Wie Schermer berichtet, waren die meisten Tagesmütter und Haushilfen, die auf den Schecks auftauchen, „auch vorher schon irgendwie versichert“. Meistens teurer. „Teilweise werden Arbeitnehmerinnen in Privathaushalten bei der Krankenkasse erst abgemeldet und tauchen dann wieder im Haushaltsscheckverfahren auf“, berichtet Hungenburg. Auch damit spart der Arbeitgeber Geld.
Die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer für die Beschäftigten werden im Scheckverfahren nämlich vom Arbeitnehmernettolohn und nicht vom Arbeitnehmerbrutto berechnet. Die niedrigere Bemessungsgrundlage führt am Ende zwar zu einer geringeren Rente der Haushaltshilfen, aber das wird von den Beschäftigten oft nicht beachtet.
„Das Scheckverfahren lädt zur Manipulation ein“, beklagt Schermer. Stellt beispielsweise jemand die Oma als Kindermädchen im eigenen Haushalt an, so kann die alte Dame auf diese Weise von einer teuren Privatversicherung in eine für Senioren billigere Pflichtversicherung wechseln. „Da wird viel Schindluder getrieben“, so Heinzel von der Barmer. „Deswegen sind die Krankenkassen auch froh, daß nicht so viele Anträge kommen.“ Und bei den wenigen einlaufenden Anträgen stecke „meistens ein Steuerberater dahinter“, berichtet Hungenberg. Bei der Barmer in Hamburg gingen bislang neun Schecks ein, die meisten davon aus noblen Stadtteilen wie Blankenese. Barbara Dribbusch
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