: Mr. Euro aus Holland
■ Wim Duisenberg wird heute zum Präsidenten des EU-Währungsinstituts
Berlin (taz/dpa) – Hans Tietmeyer mag ihn. Der mächtige Chef der Bundesbank kann sich gut vorstellen, die Aufsicht über die Stabilität der künftigen Europawährung Euro an Wim Duisenberg zu geben. Der Niederländer stehe für „dauerhafte Stabilität. Stabilität für den Euro.“
Duisenberg ist der geborene Kandidat für den Chefsessel bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Seit 15 Jahren leitet der heute 61jährige die Niederländische Zentralbank. Erstens verfügt er damit über mehr Routine in europäischen Währungsfragen als alle anderen denkbaren Kandidaten. Zweitens war der Niederländer beim Stabilhalten des Guldens sehr erfolgreich. Und drittens gilt er als auch in haarigen Situationen wortreich und witzig.
Zuvor, und das heißt ab morgen, muß Duisenberg erst einmal das Europäische Währungsinstitut in Frankfurt leiten. Dort löst er den Belgier Alexandre Lamfalussy ab, der mit 68 Jahren in den Ruhestand geht. Das EWI, als Vorgänger der EZB geschaffen, soll in den kommenden 18 Monaten die Einführung des Euro mit vorbereiten. Im Frühjahr muß das EWI den Bericht vorlegen, in dem das EWI die Euro-Fitneß der Beitrittskandidaten zur Währungsunion beschreibt.
Wie Duisenberg selbst die Maastricht-Kriterien bewertet, hatte er erst in den vergangenen Tagen erklärt. Für den erfahrenen Zentralbanker ist eine enge Auslegung des Schuldenkriteriums beim Eintritt in die Währungsunion nicht zwingend. Es sei „keine Katastrophe“, wenn sich ein Land mit einem Defizit von 3,2 Prozent für den Euro qualifiziere.
Die letzte Entscheidung über den Chef des EZB ist aber noch nicht getroffen. Die französische Regierung hat Ansprüche auf den Chefsessel angemeldet. Frankreichs Präsident Jacques Chirac verlangt eine politischere, weniger unabhängige Zentralbank mit einem Franzosen an der Spitze.
Eine lange Einarbeitungszeit steht Wim Duisenberg nicht zur Verfügung. Wenn er heute morgen sein Büro im 35. Stockwerk des Frankfurter Eurotowers betritt, findet der niederländische Sozialdemokrat einen gutgefüllten Terminkalender vor. Um 10 Uhr leitet er bereits die monatliche Ratssitzung der 15 europäischen Notenbankchefs. ten
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