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Rüge für Karlsruhe

■ Europäischer Gerichtshof tadelt überlange Verfassungsklagen

Freiburg (taz) – Das sind die deutschen VerfassungsrichterInnen nicht gewöhnt. Gestern wurde ihre Amtsführung von einem europäischen Gericht ausdrücklich gerügt. In zwei Fällen stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg fest, daß Verfahren in Karlsruhe schlicht zu lange dauern.

Geklagt hatten zwei Grundstückseigentümer aus Hannover und München. Sie hatten 1976 und 1980 versucht, Pachtverträge mit Kleingartenvereinen zu kündigen, um ihre Grundstücke wieder selbst zu nutzen. Nachdem dies abgelehnt wurde, gingen sie vor Gericht. Beide Fälle wurden dem Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle vorgelegt. Die Prüfung des Bundeskleingartengesetzes dauerte im einen Fall über sieben, im anderen über fünf Jahre.

Dies sei eine „überlange Verfahrensdauer“ und damit ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention des Europarats, urteilte jetzt das Straßburger Gericht. Deutschland muß den Betroffenen jeweils 15.000 Mark Schadensersatz zahlen.

Der Europäische Gerichtshof fällte schon Hunderte ähnlicher Urteile, weil nationale Gerichte trödelten. Vor allem die italienische Justiz wird regelmäßig als zu langsam kritisiert. Feste Zeitgrenzen wurden dabei allerdings nicht gesetzt, vielmehr wird jeder Fall individuell beurteilt.

Geprüft wird vor allem die Komplexität und Dringlichkeit der Sache sowie das Verhalten der KlägerInnen. Schon im letzten September hatte Straßburg entschieden, daß auch Verfassungsgerichte zügig entscheiden müssen. Die Bundesregierung hatte für Karlsruhe dagegen Sonderrechte reklamiert – vergeblich. Ein Trost für die ermahnten Karlsruher RichterInnen dürfte es immerhin sein, daß man in Straßburg auch nicht viel schneller ist. Der Europäische Gerichtshof brauchte für die Klage der beiden deutschen Grundstücksbesitzer mehr als fünf Jahre (Az.: 125/1996/744/943). Christian Rath

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