: Déjà vu in Bonn
■ Schäuble gesteht Scheitern der Haushaltspolitik ein
Der Haushalt sei verfassungswidrig, stellte die Opposition fest und verklagte die Koalitionsregierung. Diese habe das Grundgesetz, wonach „die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten“ dürfen, glatt mißachtet. Die Regierung, das war 1981 die Koalition aus SPD und FDP. Geklagt hatte die CDU. Ohne Erfolg zwar, aber die Regierung Schmidt war dennoch am Ende. Der Streit um den Haushalt bot letzten Endes der FDP den willkommenen Anlaß, die Koalition platzen zu lassen. Das umstrittene Defizit im letzten SPD-Haushaltsentwurf betrug rund zehn Milliarden Mark.
15 Jahre und gut fünfmal soviel Defizit später verklagt die Opposition die Koalitionsregierung. Der Haushalt sei verfassungswidrig. Apart: Selbst Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble mag nicht mehr ausschließen, daß die Neuverschuldung 1997 die Investitionen des Staates übersteigt. Allerdings beansprucht er für die Regierung eine Ausnahmeklausel: Die höhere Schuldenaufnahme ist erlaubt, wenn sie „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ dient.
Dieser lapidare Verweis auf den Zusatz im Grundgesetz ist ein Eingeständnis des totalen Versagens. Denn wer sollte verantwortlich sein für die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts? Wenn Schäuble behauptet, die SPD mit ihrer Blockadehaltung, erweist er der desolaten Opposition zuviel der Ehre. Sind die gierschlundigen Ossis schuld? Die unwilligen Unternehmer? Ein berühmter Volkswirt hat da dezidiert seine Meinung geäußert: „Große Nationen werden niemals durch private, doch bisweilen durch öffentliche Verschwendung und Mißwirtschaft ruiniert“, schrieb einst Adam Smith.
Die Regierung Kohl hat die Mißwirtschaft zum Prinzip erhoben. Der Staat kann und will nicht in die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze investieren. Das heißt: keine zusätzlichen Steuerzahler, dafür aber wachsende nichtinvestive Ausgaben für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit. Während der Schuldendienst steigt, gedenkt der Staat durch die Steuerreform noch auf Einnahmen zu verzichten. Angesichts dieser in den Abgrund führenden Politik ist der Tanz um die Dreikommanull bei den Maastricht-Kriterien ein bloßes Schmierenstück. Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen