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„Ermittlungen wurden eingestellt“

■ Deutschlandbericht von ai: Übergriffe der Polizei, die von der Justiz ungenügend verfolgt wurden

– Sahhaydar und Hatice Y. wachten am 24.10.1996 auf, als ein Dutzend Polizisten ihre Wohnung stürmte. Beide wurden im Bett überrascht und so schwer geschlagen, daß sie Brüche und Prellungen erlitten. Die Polizisten waren auf der Suche nach Waffen. Sie fanden zwei illegale Pistolen und Munition, die der Restaurantbesitzer sich angeblich aus Angst vor Bedrohung zugelegt hatte. Er wurde zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen die Polizei wegen Mißhandlung ein. Amnesty international fordert, die Vorwürfe „unverzüglich und von unparteiischer Seite“ zu untersuchen.

Mustafa K. wurde am 2.7. 1996 von zwei Polizisten in seiner Wohnung schwer verletzt, weil er sich weigerte, einer Durchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl zuzustimmen. Die Beamten hatten K.s Sohn beim Beschmieren einer Leuchtreklame erwischt. Als K. ihnen den Zutritt verwehrte, sollen die Beamten ihn geschlagen und getreten haben, ihn gefesselt in einen Polizeitransporter geworfen und auf dem Weg zur Wache beschimpft haben. Nach den Vorwürfen gegen die Beamten erstatteten diese Gegenanzeige wegen Widerstandes und Körperverletzung. Das Verfahren gegen die Polizei wurde eingestellt. Amnesty wirft der Staatsanwaltschaft vor, die Beweise nicht vollständig und unparteiisch gewertet zu haben und keinen der Betroffenen oder der Zeugen persönlich vernommen zu haben.

Habib J. war im Dezember 1992 von einem Busfahrer und von Polizisten schwer mißhandelt worden, nachdem er im Bus eingeschlafen war. Drei der Polizisten wurden zu Geldstrafen verurteilt, legten aber erfolgreich Widerspruch ein. Das Wiederaufnahmeverfahren, moniert amnesty, hat noch nicht begonnen.

Nguyen T. hatte behauptet, während seiner Tätigkeit als Zigarettenhändler 1994 von zwei Polizisten durch Schläge und Tritte schwer verletzt worden zu sein. Das Gericht sprach im Januar 1996 die Beamten frei, weil Nguyen nicht vor dem Gericht aussagte.

Ali-Abdulla und Taha I. waren 1994 unter dem falschen Verdacht des Autodiebstahls von Polizisten schwer geschlagen worden. Bei einem Verfahren wegen Widerstandes wurde Taha freigesprochen; die Anzeige gegen die laut Zeugen „unverhältnismäßige Gewalt“ der Polizei kam nicht zur Anklage. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Beamten lehnte die Staatsanwaltschaft 21 Monate nach der Tat ab. Begründung: Nach so langer Zeit sei „keine vollständige Aufklärung“ möglich.

Edeltraut und Günter W. hatten 1994 Beschwerde erhoben, weil sie gesehen hatten, wie die Polizei einen südländisch aussehenden Mann schlug, der keinen Widerstand leistete. Sie hörten 18 Monate lang nichts von dem Verfahren. Auf Nachfrage erklärte die Staatsanwaltschaft, die Frage könne mangels eines „berechtigten Interesses“ nicht beantwortet werden. Bernhard Pötter

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