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Junge Utopien für alte Städte

■ Die „Europan“-Ausstellung in der HfbK zeigt, wie schwer es ist, mit konkreten Arbeiten städtebauliche Zeichen zu setzen

Ein segelförmiges Terrassenhaus direkt am Rhein, 33stöckig und dreieckig, das zugleich als große Sonnenuhr dient: Wie kommen kommunale und private Bauherren an solche kreativen Ideen und bisher unbekannte Architekten an erste Aufträge?

Seit 1988 gibt es die Vereinigung Europan, die alle zwei Jahre einen europaweiten Wettbewerb durchführt. Unter vierzig müssen die jungen Teilnehmer sein und ihre Ausbildung abgeschlossen haben. In bisher vier Wettbewerben haben 6900 Teams für 201 Standorte Vorschläge eingereicht, 373 Preisträger wurden ausgezeichnet.

Europan geht auf das französische Förderprogramm PAN (Programme Architecture Nouvelle) der achtziger Jahre zurück, mit dem einst auch ein heute so bekannter Architekt wie Jean Nouvel gefördert wurde. Beim jüngsten Europan 4 wurden 110 Arbeiten ausgewählt. Eine Ausstellung in der Hochschule für bildende Künste stellt sie jetzt im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers vor.

Architekturausstellungen setzen nicht nur Interesse voraus, sondern auch die Fähigkeit, die besondere Sprache der Pläne lesen und verstehen zu können. Da die Fülle der an Baugerüsten durch die Kunsthochschule wuchernden Bild-Text-Tafeln jeden Entwurf nur kurz anreißt und zudem in Englisch beschriftet ist, bleibt zum Verständnis des lobenswerten Projekts eigentlich nur der Kauf der umfangreichen deutschsprachigen Kataloge. In denen ist die Ausgangslage der zu bebauenden Problemflächen an den 65 europäischen Standorten kurz geschildert, die zur Einschätzung der praktischen bis visionären Entwürfe notwendig ist.

In der Erkenntnis, daß die meisten Bauaufgaben heute keine Neuplanungen auf leerer Fläche sind, sondern sich in vielfach vorbestimmte und mit Teilen zu erhaltender Bausubstanz besetzte Areale einzufügen haben, war das Motto des Wettbewerbs Die Stadt über der Stadt bauen – Umwandlung zeitgenössischer Gebiete. Überall in Europa sind ehemalige Industrieflächen inmitten der Städte umzunutzen und Stadtbilder behutsam erneut zusammenzufügen, seien sie durch Verkehrsanlagen oder politisch getrennt wie in Nicosia auf Zypern oder in Görlitz.

Der Europan- Wettbewerb ist nicht nur Spielwiese: Die Realisierung der Entwürfe mit Schwerpunkt Wohnungsbau ist erklärtes Ziel des Verfahrens. Doch die weitgespannten Entwürfe lassen angesichts der Realität Federn. Statt acht neuer Inseln in der Neiße, auf wellenförmigen Plattformen über und zwischen alte Industriebebauung gesetzte Wohnungen oder dem 153 Meter hohen Sonnenuhr-Haus entstehen U- und L-förmige Wohnblöcke. Denn es ist schwer, mit einer konkreten Arbeit Zeichen zu setzen, die eine ganze Stadtplanung verändern.

Für die nächste Europan ist angesichts fortschreitender Privatisierung dennoch ein besonders brennendes übergreifendes Thema vorgeschlagen: Wo bleiben die öffentlichen Räume?

Hajo Schiff

Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2, bis 12. Juli. Dokumentationsband: 338 Seiten, 90 Mark; Heft über die Ergebnisse des deutschen Teils: 72 Seiten, 25 Mark

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