: Wenn man nur will Von Klaudia Brunst
Natürlich wollte meine Mutter auch mit. „Ich lasse deinen Vater doch nicht in der Großstadt allein!“ hatte sie erklärt und ihre Ankunft für den kommenden Montag, 22.35 Uhr, angekündigt. Kelle und Vorschlaghammer würde mein Vater mitbringen. Ansonsten müsse man die Baustelle ja erst einmal gründlich besichtigen. „Wie damals, als wir unser Haus gebaut haben“, erinnerte sich meine Mutter frohlockend. „Pionierzeiten waren das. Im Bauwagen haben wir gewohnt. Von morgens sechs bis tief in die Nacht geschuftet. Dabei warst du sogar schon unterwegs, Klaudia. Wenn man nur will, schafft man alles.“
„Bauwagen ist übrigens ein gutes Stichwort“, meinte unsere Nachbarin spitz, als ich aufgelegt hatte. „Wo sollen eure beiden Schwarzarbeiter denn eigentlich schlafen?“ Tatsächlich hatten wir so weit noch nicht gedacht. So nett es ja war, während unserer Umbaumaßnahmen bei unserer Nachbarin schlafen zu können – wenn nun meine Eltern wochenlang zum Helfen kämen, wäre die Kapazität dieser 1 1/2-Zimmer-Wohnung doch erschöpft. Wir diskutierten diverse Provisorien und erwogen so lange immer abwegigere Ideen (wie die, in der taz zu übernachten), bis unsere Nachbarin endlich verstanden hatte. „O.k., o.k. Ich sehe es ja ein“, hob sie resigniert die Arme und packte ihre Reisetasche, um für die nächsten Wochen bei ihrer Schwester zu übernachten. „Wenn man will, schafft man alles!“ flüsterte meine Freundin, selbst überrascht, wie schnell wir uns unserer Nachbarin hatten begreiflich machen können. „Unkraut vergeht nicht“, versuchte ich ihr Gewissen zu beschwichtigen. „Sie wird schon ihre Vorteile haben. Vielleicht hat ihre Schwester ja Kabelfernsehen.“ – „Oder einen Südbalkon?“ mutmaßte meine Freundin. „Beides“, zischte unsere Nachbarin und wünschte uns, diese kommende Zeit zu überleben, „ohne enterbt zu werden“.
„Gar nicht schlecht, daß wir nicht in unserer eigenen Wohnung wohnen“, meinte ich, während ich mich mit dem strengen Blick meiner Mutter in der Wohnung umschaute. „Wir sollten schon etwas Ordnung machen“, fand meine Freundin und krempelte die Bude nach einem Besen und schließlich komplett um. Am Ende des Wochenendes war die Wohnung leidlich elternfähig. „Wenn man nur will...“, stöhnte meine Freundin fix und fertig, aber nicht unbeeindruckt von ihrer eigenen Leistung und ließ sich auf das klapprige Sofa unserer Nachbarin fallen. „...du hörst dich schon an wie meine Mutter“, gab ich etwas nervös zurück. „Ich hatte schon immer das leise Gefühl, daß ihr euch ähnlich seid. Ihr werdet euch wunderbar verstehen.“
„Das finde ich jetzt aber nicht fair“, wurde meine Freundin sofort grantig. „Nichts gegen deine Mutter, aber diesen Vergleich kannst du dir wirklich sparen.“ – „Wir werden ja sehen“, unkte ich und verschob alle weiteren Debatten in die fernere Zukunft, indem ich mich einfach ins Bett fallen ließ. „Ich habe Angst vor morgen“, flüsterte ich mit letzter Kraft. „Können wir nicht einfach zu meinen Eltern fahren, während meine Eltern hier sind? – „Ganz ruhig, Klaudia“, flüsterte da eine Stimme neben mir, und ich war mir nicht ganz sicher, ob es noch meine Freundin oder schon meine Mutter war. „Das kriegen wir schon hin. Wenn man nur will, schafft man alles.“
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