■ Heute wird in Madrid wahrscheinlich offiziell verkündet: Polen wird Mitglied der Nato. Und das ist gut so.
: Ein historisch nötiger Schritt

Zu den wesentlichen Argumenten der Gegner einer Nato-Osterweiterung zählt die Furcht, daß sie zu einer Isolation Rußlands und einer neuen Teilung Europas führen könnte. Die negative Reaktion der russischen Bevölkerung könnte den Demokratisierungsprozeß behindern und schließlich beenden und den postkommunistischen und neoimperialistischen Kräften zum Sieg verhelfen. Doch dieses Argument hat nach der Unterzeichnung der Grundakte zwischen Nato und Rußland in Paris stark an Bedeutung verloren. Denn dieser Vertrag eröffnet Rußland ein breites Spektrum der Zusammenarbeit mit dem Bündnis. Rußland wird in die Schaffung der neuen Sicherheitsarchitektur Europas eingebunden. Die Nato wird demnach nicht gegen, sondern mit Rußland erweitert.

Eine Blockade der Nato-Osterweiterung würde die bisherigen Trennungslinien in Europa keineswegs aufheben. Im Gegenteil: Sie würde die Grenzen des Kalten Krieges, die unseren Kontinent über 50 Jahre lang teilten, in dauerhafte verwandeln. Dies genau soll bei der Erweiterung der Nato verhindert werden. Die neuen Grenzen sollen weder dauerhaft noch Konfrontationslinien zwischen zwei sich feindlich gegenüberstehenden Welten sein. Diesem Ziel dient jetzt und in Zukunft das Programm „Partnerschaft für den Frieden“, aber auch die Zusage, daß die erste Etappe der Nato-Osterweiterung keineswegs die letzte sein wird.

Für den normalen Russen stellt die Nato-Osterweiterung kein Problem dar, wohl aber für die politische Elite des Landes. Die Mehrheit der Russen, so zeigen alle Meinungsumfragen und Analysen, sieht in der Nato-Osterweiterung keine Bedrohung. Und die Zukunft der Demokratie in Rußland hängt nicht von der Nato und ihrer Erweiterung ab, wie es die Gegner suggerieren, sondern von der Fähigkeit des Landes, mit seinen innergesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen zurechtzukommen.

Ein weiterer Einwand lautet: Die Kosten, die nicht nur den neuen, sondern auch den alten Mitgliedern des Bündnisses durch die Nato-Osterweiterung entstehen, sind zu hoch. Doch Polen wird in der Nato nicht dieselbe Rolle spielen müssen wie einst die Bundesrepublik in der Zeit des Kalten Krieges. Das Bedrohungspotential ist heute wesentlich niedriger. Es ist also nicht nötig, die bisherige Militärinfrastruktur sofort auf höchstes Niveau anzuheben. Ebensowenig ist es nötig, in Polen Bündnistruppen zu konzentrieren, die jederzeit einen Angriff größeren Ausmaßes abwehren könnten.

Die Kosten, die die neuen Mitglieder für die Anpassung ihrer Streitkräfte zu tragen haben, bewegen sich – das zeigen Berechnungen in Polen und den USA – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Und die jährlichen Kosten, die den USA und den westeuropäischen Ländern im nächsten Dezennium durch die Nato-Osterweiterung entstehen, bewegen sich zwischen 0,1 Prozent des Verteidigungsbudgets im Falle der USA und rund 1 Prozent im Falle Westeuropas. Darüber hinaus kann die Ausrüstung der neuen Bündnismitglieder und die Erweiterung des strategischen Gebiets der Nato sogar zu Einsparungen führen. Beispielsweise müssen in Deutschland nicht mehr so viele Einheiten in ständiger Gefechtsbereitschaft stehen, da das Land nach der Nato-Osterweiterung kein Frontstaat zum Osten hin mehr sein wird.

Ein weiteres Argument, das die Gegner der Nato-Osterweiterung immer wieder ins Feld führen, ist die Kritik an der Rüstungsqualität bei den Armeen der Beitrittskandidaten. Sie sei wesentlich schlechter als die der bisherigen Nato-Mitglieder. Dies stimmt nicht ganz. Die Nato besteht nicht nur aus den Armeen Amerikas, Großbritanniens und Deutschlands. Die meisten Panzer Griechenlands zum Beispiel sind nicht besser als diejenigen, über die die polnische, tschechische oder ungarische Armee verfügen. Ähnlich sieht es auch bei den anderen Waffengattungen aus. Darüber hinaus ist zu fragen: Wenn vor einigen Jahren diese Panzer und Geschütze in der Nato noch für Furcht und Schrecken sorgten, warum sollten sie dann heute völlig wertlos sein? Immerhin wird diese Rüstung auch heute noch in allen östlich von Polen gelegenen Ländern verwendet: in den alten sowjetischen Republiken ebenso wie im Nahen und Fernen Osten.

Die Nato müsse nicht erweitert werden, so lautet ein weiteres Argument, da dem Bündnis nach dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes kein Feind mehr gegenüberstehe. Dem könnte man zustimmen, wenn es allein um das heutige Bedrohungspotential an der Ostgrenze Polens ginge. Dieses ist tatsächlich denkbar gering. Sollte es dort zu einem kleinen, lokalen Konflikt kommen, so ist Polen durchaus in der Lage, damit selbständig zurechtzukommen. Eine Bedrohung größeren Ausmaßes scheint zur Zeit ausgesprochen unwahrscheinlich. Sollte es aber dennoch dazu kommen, ist es in jedem Fall besser, sich dieser Gefahr gemeinsam mit Polen zu stellen als ohne Polen. Es ist auch besser, dies 600 Kilometer, statt nur 60 Kilometer entfernt von Berlin zu tun.

Die Brennpunkte im heutigen Europa liegen nicht in Ostmitteleuropa, sondern im östlichen Teil des Mittelmeerraums. Dort wird die Nato möglicherweise als nächstes mit einem Mandat der UNO, der OSZE oder in Selbstverteidigung tätig werden müssen. Auf die Frage, ob sie bereit seien, polnische Soldaten zur Verteidigung anderer Nato-Länder zu entsenden, antworten 68 Prozent aller Polen mit „Ja“. Demnach ist Polen kein Ballast für die Nato, ähnlich wie auch Tschechien und Ungarn nicht. Polen in der Nato ist vielmehr eine Stärkung der Sicherheit Polens und der Nato. Letztendlich wird Polen in der Nato bessere Möglichkeiten als bisher haben, die allgemein gute Zusammenarbeit mit Rußland weiter auszubauen. Man erinnere sich nur an die Situation Deutschlands vor Jahren. Die Deutschen konnten sich ihre Ostpolitik erst in dem Moment erlauben, als sie solide im Westen verankert waren – in der Nato und der EU. Polen außerhalb der Nato könnte in Moskau womöglich die Hoffnung nähren, daß Polen eines Tages wieder Teil des russisch dominierten Gebietes sein könnte.

Gutnachbarschaftliche Beziehungen entwickeln kann nur, wer sich sicher fühlt. In Polen speist sich dieses Gefühl daraus, heute Mitglied der Nato zu sein, und morgen Teil der Europäischen Union zu werden. Janusz Onyszkiewicz

Übersetzung: Gabriele Lesser