: Der älteste Rekord ist auch der jüngste
■ Nach der Einstellung von Seb Coes 800-m-Uraltweltrekord (1.41,73) sagt der Däne Wilson Kipketer: „Es geht noch besser“
Stockholm (dpa) – Wilson Kipketer wartete auf die offizielle Zeitansage. Er lächelte. Scheinbar entspannt. Als der Stadionsprecher dann endlich 1:41,73 Minuten und damit die Einstellung des Weltrekords über 800 m verkündete, umarmte er seinen polnischen Trainer Slawomir Nowak, dann drehte er mächtig strahlend und kräftig winkend eine umjubelte Ehrenrunde.
Viel hätte nicht gefehlt in Stockholm, und Kipketer wäre erneut leer ausgegangen. So wie schon bei den Olympischen Spielen in Atlanta, bei denen er nur Zuschauer war. Oder wie im Vorjahr beim Meeting in Rieti, als er Sebastian Coes Uraltweltrekord nur um eine Zehntel Sekunde verpaßte.
Diesmal hatte die elektronische Zeitleiste im Stockholmer Olympiastadion zunächst nach zwei Stadionrunden 1:41,74 Minuten angezeigt – eine Hundertstel über Coes Weltrekord vom 10. Juni 1981 in Florenz. Dann wurde um eine Hundertstel korrigiert, und nun ist der älteste Rekord der Leichtathletikwelt auch der jüngste. Und Stockholm hatte doch noch seinen Weltrekord, nachdem Moses Kiptanui (Kenia) über 3.000-m-Hindernis und Hicham El Guerrouj (Marokko) über 1.500 m ihre Weltrekordpläne genausowenig realisieren konnten wie Daniel Komen über 5.000 m.
Der Kenianer Bernhard Kisilu sorgte mit 49,2 Sekunden für die flotte Durchgangszeit zur Halbzeit. Außer Kipketer konnte keiner mithalten, auch der norwegische Olympiasieger Rodal nicht. Auf der Zielgeraden schienen dann auch Kipketer die Beine etwas schwer zu werden. „Ich habe alles gegeben, bin nicht überglücklich, aber sehr mit mir zufrieden“, sagt er. Das ist eine typische Reaktion für den zurückhaltenden Kipketer (26), der im vergangenen Jahr seine größte Enttäuschung erlebte.
Als klarer Favorit war er beim Atlanta-Finale über 800 m nur Fernsehzuschauer, denn obwohl er seit 1990 in Dänemark lebt, fehlte ihm die dänische Staatsbürgerschaft. Zur Weltmeisterschaft 1995 in Göteborg hatte der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) seine Teilnahme für Dänemark mit einer Sondergenehmigung ermöglicht. In Atlanta hätte er für Kenia an den Start gehen müssen. Kipketer, der sich längst als Däne fühlt und dänisch spricht, schlug dieses Angebot aus.
In Athen wird er starten – und ist natürlich der erklärte WM-Favorit. „Es war der beste Tag in meiner Laufbahn“, hat Wilson Kipketer in Stockholm gesagt. Und dann hinzugefügt: „Aber es geht noch besser.“
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