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Der Mensch als Wolf als Schwein

■ Bilder über die Apokalypse der Gegenwart, über Banalität und Perversion: Der Historienmaler Blalla W. Hallmann, der Blasphemie und Obszönes liebte, ist tot

„Heim, mir reicht's“, so lautet der Titel eines Linolschnitts von Blalla W. Hallmann. Das Bild zeigt einen ausgemergelten Körper, der einen grinsenden Totenkopf balanciert. In der Rechten hält er eine Nazifahne und in der Linken ein Christenfähnchen mit der Aufschrift „Suum Cuique 1992“ („Jedem das Seine 1992“, Wahlspruch des preußischen Schwarzen Adlerordens). Die Figur ist umstellt von Wachtürmen. Ein Adler, der über allem thront, hält in seinen Krallen ein Transparent mit der titelgebenden Inschrift.

Jetzt ist Balla W. Hallmann selber heimgegangen. 56 Jahre war er alt, als er am 2.Juli nach schwerer Krankheit verstarb.

Hallmann zählte zu den Ausnahmeerscheinungen der deutschen Kunst. Er war Historienmaler im besten Sinne des Wortes: Sein zentrales Thema war die deutsche Geschichte, besser gesagt das falsche Dasein in Faschismus und Kapitalismus und die Zynik von Leben und Sterben in der Verlogenheit von Imperialismus und Katholizismus.

In der grellen Übersteigerung und grotesken Übertreibung – und dabei waren ihm die krassesten pornographischen Darstellungen gerade recht – war Hallmann ein Moralist, einer, der die Widersprüchlichkeit von falschem Ideal und banaler Wirklichkeit anprangerte und dabei zu einem vernichtenden Urteil gelangte: Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf, er ist ein Schwein!

Für diese Auffassung suchte und fand Hallmann zeitnahe Belege und aktuelle Formulierungen. Er scheute sich nicht, die nackten Tatsachen mit Ekel und Unversöhnlichkeit darzustellen, und nahm die nach seiner Auffassung Verantwortlichen aufs Korn: So konterfeite er Ex-Bundespräsident von Weizäcker oder Helmut Kohl in größter Unappetitlichkeit – den einen in Wehrmachtsuniform, den anderen beim Geschlechtsakt. Ihre besondere Schärfe erlangten Hallmanns Werke auch durch den Kontrast einer altmeisterlichen, an Mathias Grünewald geschulten Malweise und den in solcher Auratik erscheinenden Sujets des Primitiven und Bösen.

Dafür hat man ihn nicht geliebt, ihn der Provokation und Perversion bezichtigt und gerne im offiziellen Kunstbetrieb übersehen. Dabei war nicht er obzön und blasphemisch, sondern die Gesellschaft, in der er lebte.

Blalla W. Hallmann hat die Apokalypse der Gegenwart gemalt und Banalität und Perversion mit dem ihm eigenen, extremen Humor festgehalten. Darin besteht das Einmalige dieser künstlerischen Leistung, die über seinen Tod hinaus Bestand haben wird. Peter Funken

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