piwik no script img

Bunte Bilder, haufenweise Pillen, bleiche Gesichter

■ Regelmäßiger Partydrogenkonsum hat zweifellos negative Folgen. Aber die Denunzierung derjenigen, die illegalisierte Drogen nehmen, ist verlogen

Bis vor zwei Jahren feierten die Medien die Techno-Szene. Anders als die schmutzigen Punks, die schlaffen Hippies und Haschdeppen lieferten die verschwitzt lächelnden Technofreunde Bilder, die die Werte der Leistungs- und Freizeitgesellschaft zu propagieren schienen: Leistungsbereitschaft, Narzismus, Konsumfreude und Amüsierfähigkeit.

Inzwischen haben sich die Akzente verschoben. Aus dem sportlichen Technofreund wurde der defizitäre Drogenuser. Kaum eine Woche vergeht ohne investigative Features über Techno und Partydrogen. Die Muster der Reportagen gleichen einander: zunächst bunte Diskobilder, dann bleiche Gesichter, Leute, die haufenweise Pillen einschmeißen, dann Interviews mit reuigen Dealern, ehemaligen oder aktuellen jungen Drogenopfern, deren Konsum das Übliche um das zehn- bis zwanzigfache überschreitet und die nach dem Muster der Beichte Zeugnis ablegen. Oft mit verzerrter Stimme oder unkenntlich gemachten Gesichtern – damit es dramaturgisch gut kommt – erzählen sie vom kurzen Drogenhoneymoon, von den unglaublichen Mengen, die sie sich ein paar Jahre lang zumuteten, von traurigen Abstürzen und den schwierigen Rückkehrversuchen in die „Normalität“.

Gibt sich die Drogenreportage liberal, so endet sie mit dem tremolierenden Hinweis, daß die Chancen von Jugendlichen, hierzulande auch nur einen Ausbildungsplatz zu finden, immer geringer werden. Drogenkonsumenten, die ab und an mal kiffen, zuweilen eine oder eine halbe oder eine viertel Ecstasytablette nehmen, sich mit Viertel- oder Achtel-LSD-Trips dopen und ansonsten ein ziemlich normales Leben führen, sind nicht vorgesehen. Die moralischen Geschichten sollen ja gerade die Unmöglichkeit, mit illegalisierten Drogen umzugehen, belegen und das vorgegebene Planziel illustrieren: Keine Macht den Drogen! Just say NO!

Weil das angebliche Drogenproblem derer, auf deren Lebensstil man ohnehin ein bißchen neidisch ist, den Normalbürger in seinen Werten bestätigt, ist jeder angebliche Ecstasy-Tote eine potentielle Bild-Schlagzeile und wird mit einer gewissen Befriedigung ausgeschlachtet. Die Verkündigung der offiziellen Drogenopferzahlen hat oft auch etwas Triumphierendes. Die Teufelsdroge Ecstasy etwa hätte 1995 18 Menschen dahingerafft, gab 1996 das BKA bekannt. Recherchen des Berliner Technovereins Eve & Rave zeigten ein anderes Bild: In drei Fällen wurde ein Zusammenhang mit Ecstasy ausdrücklich verneint, in einem Fall galt das Opfer als Heroinkonsument, in zwei Fällen lag Drogenmischkonsum vor. Zweimal gab es weder einen Obduktionsbericht noch ein toxikologisches Gutachten. Bei dem einzigen Toten, der nachweislich nur Ecstasy genommen hatte, wurde als Todesursache ein Zusammenwirken von chronischer Herzschwäche, körperlicher Anstrengung und Ecstasykonsum vermutet.

Sicher haben viele Leute in der Technoszene Drogenprobleme, die nicht nur mit den verwendeten Drogen, sondern auch mit den Bedingungen der Illegalität, unter denen sie genommen werden, mit individuellen und sozialen Faktoren zu tun haben. Wahrscheinlich ist es auch schwieriger, mit illegalen Drogen umzugehen als mit legalen. Nur muten die Schwierigkeiten derer, die meist nur eine begrenzte Zeit lang Rauschgifte benutzen, verglichen mit denen, die man hierzulande mit legalen Drogen wie etwa Alkohol hat, verhältnismäßig gering an. Man stelle sich nur einmal vor, jeder der angeblich 80.000 Alkoholtoten würde mit einer Schlagzeile gewürdigt werden.

Man möchte da gar nichts groß relativieren; der in der Drogendiskussion im allgemeinen ignorierte Siegeszug der reinen Leistungsdroge Speed etwa – „die unterschätzte Droge schlechthin“, wie Amendt und Walder in ihrem empfehlenswerten Buch „Ecstasy & Co“ (rororo) schreiben – hat schon etwas Gruseliges. Regelmäßiger Ecstasykonsum führt in der Regel zur Verblödung und anderen vor allem psychischen Unannehmlichkeiten, nur nervt die Verlogenheit der Diskussion.

Die Medienszene, in der Nasendrogen extrem verbreitet sind, liefert die schaurigsten Drogenreportagen, aber Drogen nehmen immer nur die anderen. Drogen indes sind nicht nur in der Technoszene und nicht nur unter Jugendlichen beliebt. In meinem Bekanntenkreis zum Beispiel, wo die meisten so zwischen Ende 20 und 45 sind, raucht man eher Hasch oder Marihuana, anstatt Alkohol zu trinken. Einige nehmen auch ab und an LSD, Psilocybin, Ecstasy, Kokain oder Speed. Einige sind freiberuflich tätig, andere haben durchaus verantwortungsvolle und gutbezahlte Posten in bekannten Medien, ein befreundeter Herzchirurg kifft gerne beim Fußballgucken, einer ist arbeitslos und wohl haschsüchtig, wie ich ihm vor kurzem mal vorwarf. Dann machte er entrüstet einen Monat Pause und schlug mich dann im Schach. Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen