■ Werkschau: Die wundersame Welt des Moebius
Jean Giraud hat vielleicht nur einen Fehler: Er glaubt an Gott. Ansonsten gilt eigentlich alles, was seinem merkwürdigen Gehirn entronnen und auf Papier zu Comic geworden ist, selbst als göttlich. Zeichner, die sein Vorbild leugnen, lügen deswegen mit derselben tödlichen Sicherheit, wie Regisseure von Science Fiction-Filmen, welche die Ähnlichkeiten ihrer Arrangements mit Moebius-Zeichnungen nicht wahr haben wollen. Der mittlerweile fast sechzigjährige Giraud, der in Deutschland in den 70er Jahren mit seinem klassischen Western Leutnant Blueberry (unter dem Pseudonym Gir) via Zack-Hefte in jede Jugendstube vorstieß und als Moebius später seine absonderlichen SF-Welten entwarf, hat mit diversen Tabubrüchen und seinen vielfältigen Aktivitäten diese unumstrittene Führungsrolle im zeitgenössischen Comic errungen. War Blueberry noch ein klassischer, wenn auch in seinem perfekten Stil und seiner menschlichen Größe einzigartiger Strip, so markierte die Gründung von Métal Hurlant (in Deutschland Schwermetall) und dort insbesondere die Veröffentlichung seines Comics ohne Text Arzach einen Wendepunkt in der Geschichte der Bildgeschichte.
Der endgültige Durchbruch kam 1977 mit der Geschichte Die luftdichte Garage, die sowohl in ihrer detailversessenen, ideenreichen zeichnerischen wie in der absurden narrativen Dimension ohne Vorbild war. Gleichzeitig entwarf Giraud die Kostüme zu Alien. Danach entwickelte er als Moebius seine Kultfigur John Difool, bevor er nach Amerika auswanderte, wo er den Silver Surfer aus der Taufe hob. Dennoch hat er bis heute nie aufgehört, weitere Folgen von Blueberry zu zeichnen. Gerade jetzt sitzt er wieder an neuen Geschichten, weswegen er auch nicht selbst zum Comic-Salon kommen wird.
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