: Tabula rasa am Hauptbahnhof
■ Innensenator Wrocklage will Drogenszene und „Verslumung“ in St. Georg niederkämpfen / Minderjährige auf der Abschiebeliste Von Kai von Appen
Innensenator Hartmuth Wrocklage will St. Georg auf die harte Tour säubern und vor der „Verslumung“ bewahren. Zum harten Konzept sprach er gestern harte Worte: „Wir warten nicht mehr mit Sprüchen auf, sondern mit Einsätzen.“ Das weiche „Begleitkonzept“ besteht in der senatoriellen Forderung nach einem „Fixerraum“.
Für den Innensenator ist das Konzept – das in ähnlicher Form bereits vor vier Jahren scheiterte – auch eine „sozialpädagogische Maßnahme“ für seine Jungs und Mädels nach dem Polizeiskandal. „Es geht darum, die Verunsicherung in der Polizei abzubauen und die Führungs- und Handlungsfähigkeit wieder herzustellen.“ Nach dem Skandal im Kirchenallee-Revier sei die Klientel „aufmüpfig“ geworden.
Stetige Polizeipräsenz gewährleistet jetzt ein Zug der Bereitschaftspolizei. Zudem ist eine 33köpfige „E“-Schicht („Präsenzdienst“) aufgebaut worden. Wrocklage: „Hierbei werden die Möglichkeiten des SOG (Polizeigesetz) in vollem Umfang angewandt.“ So würden konsequent Ingewahrsamnahmen durchgeführt und auch der umstrittene „Verbringungsgewahrsam“ wieder angewandt. Wrocklage: „Dafür übernehme ich die politische Verantwortung.“ Um das Revier 11 zu entlasten, wird eine „Ingewahrsam-Sammelstelle“ inclusive Vorführrichter eingerichtet.
Um Rechtsunsicherheiten beim Vorgehen gegen die „aufmüpfige Klientel“ abzubauen und künftig Übergriffe durch BeamtInnen zu vermeiden, möchte Wrocklage besonders integre Führungskräfte einsetzen. Neu in deren Maßnahmen-Palette ist das „Gebietsverbot“. Allerdings werden dazu noch rechtliche Fragen geklärt.
Ohne Pardon soll die Polizei gegen minderjährige kurdische Dealer vorgehen. Alle sind inzwischen polizeilich „erfaßt“. Derzeit sei man dabei, sämtliche gesetzlichen Vormunds- und Ausländerverfahren zu bearbeiten. Staatsrat Wolfgang Prill: „Begeht einer wieder eine Straftat, sind bereits alle ausländerrechtlichen Schritte abgearbeitet und am Mittag sitzt der im Flugzeug in die Türkei.“
Unter Hamburgs Drogenberatern stößt das Konzept auf heftige Kritik. Rainer Schmidt von der Palette: „Man kann davor nur warnen, weil dann das Dealen unverzüglich von deutschen Minderjährigen übernommen wird. Dann hat man die Drogenprobleme in den Heimen.“ Die vorgestellten Maßnahmen führten lediglich zur einer Verdrängung der Drogenszene. Um die Drogenproblematik in den Griff zu bekommen, müßten daher neue Wege beschritten werden. Schmidt: „In Rotterdam gibt es geregelte Verkaufszeiten für Kleindealer und Junkies unter staatlicher Aufsicht. Das hat zur Beruhigung der Drogenszene geführt.“
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