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Ende der ökologisch sinnvollen Abfallpolitik?

■ Müllvertrag mit Hamburg könnte niedersächsischen Kreisen teuer zu stehen kommen

Den vier niedersächsischen Landkreisen Harburg, Stade, Rotenburg-Wümme und Soltau-Fallingbostel drohen erhebliche Mehrkosten für die Entsorgung ihres Mülls und das Ende einer „ökologisch sinnvollen Abfallpolitik“, wenn sie dem Vertragsentwurf mit der Stadtreinigung Hamburg zustimmen. Das befürchtet zumindest der Naturschutzverband Lüneburger Heide (NVL). „Der Vertrag ist skandalös“, schimpft Cornelia Ziegert, die Vorsitzende des Verbandes.

Der Entwurf zum „Müll-Vertrag“ vom 29. März 1995 sieht vor, daß die vier Landkreise ab 1997 jährlich 120 000 Tonnen Abfall in der geplanten Hamburger Müllverbrennungsanlage (MVA) Altenwerder verfeuern. 295 Mark pro Tonne kostet sie das Geschäft mit dem Müll, doch das sei nur ein „Lockangebot“, fürchtet Ziegert. Die „Preisanpassungs-Klauseln“ seien nicht zufällig vertraglich verankert: Andere MVAs verlangten bereits jetzt bis zu 500 Mark pro Tonne. „Eine Garantie auf Jahre hinaus ist schwierig“, wurde Stadtreinigungs-Sprecher Gerd Rohweder gestern wenig konkret.

Teurer könnte es für die Landkreise auch werden, wenn Betriebsstörungen in der MVA auftreten. Laut Vertrag ist die Stadtreinigung nur dann verpflichtet, Ersatzkapazitäten anzubieten, wenn dadurch ihre eigene Müllentsorgung nicht gefährdet wird; außerdem darf sie hierfür höhere Preise verlangen. Möglich ist, daß die Landkreise in dem Fall ihren Müll selbst zwischenlagern müssen. In Harburg gibt es dafür allerdings „gar keine Flächen“, weiß Landkreis-Sprecher Wolfram van Lessen. „Das muß von Fall zu Fall geprüft werden“, entgegnet Rohweder und stellt zugleich klar, „daß jeder erstmal für seinen Müll sorgen muß“.

Die Hamburger haben sich schon abgesichert: Mit einer „Loyalitätsklausel“ wollen sie die Landkreise darauf festlegen, daß diese bei Unterschreitung der vereinbarten Abfallmenge trotzdem denselben Preis zahlen. „Bei kleinerer Menge bleiben die Fixkosten gleich“, lehnt Rohweder eine lineare Preisrelation strikt ab.

Daß damit jeglicher Anreiz, konsequente Müllvermeidungspolitik zu betreiben, zur Farce wird, liegt auf der Hand. GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller kritisiert, daß selbst moderne MVAs und technisch verbesserte Verbrennungsanlagen keinesfalls „nachhaltige Lösungen für die Probleme der Abfallentsorgung sind“. Eine ökologisch verträgliche Wirtschaftsweise verlange nach konsequenter Abfallvermeidung und -verwertung. hh

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