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„Top sein fängt unten an“

Nicht gerade eine Dauererektion: Der deutsche „Playboy“ wird 25 Jahre alt  ■ Von Oliver Gehrs

So ganz geheuer waren Hugh Hefner diese Deutschen nicht, die da in seinem Chicagoer Büro herumstanden, um ihm eine Lizenz für den Playboy abzuschwatzen. Hefner hielt nicht viel von Marktforschern, die Leserschaften auf dem Reißbrett entwerfen und die Lust auf nackte Mädchen in Zahlenkolonnen ausdrücken. Aber das konnte er diesen German guys vom Hamburger Bauer-Verlag natürlich nicht sagen. Also schickte er sie mit der Bemerkung nach Hause, daß es nie einen Playboy in einer Sprache geben wird, die er nicht perfekt beherrsche. Good bye and see you later.

Daß es ein Jahr später, 1972, doch einen deutschen Playboy gab, ist vor allem einem Mann zu verdanken: Heinz van Nouhuys. Der hatte damals gerade mit Michael Phleghar den Titten-Stadl Klimbim erfunden, war also eine Art Experte für nackte Frauen in den Medien. Auf Betreiben des Bauer- Verlags fuhr van Nouhuys ins Bunny-Hauptquartier – angeblich um mit Hefner über Zensur in deutschen und amerikanischen Medien zu plaudern. Dann aber trat er mitten in der Versammlung an den mächtigen Verleger heran und fragte ihn, ob das denn stimme mit dem Playboy und der deutschen Sprache. Falls ja, frage er sich doch ernsthaft, warum es überhaupt eine englische Ausgabe gebe. Solche Jokes gefielen Hefner schon besser.

Im August 72 lag der erste deutsche Playboy dann am Kiosk. Im Heft das beste, was die Archive in Chicago hergaben, außen drauf ein blondes Mädchen, das eher verschämt an seinem T-Shirt herumnestelte. „Die erotische Fotografie in Deutschland lag total brach“, erinnert sich van Nouhuys an die Anfangszeit. Trotzdem ging die erste Nummer 300.000mal über den Ladentisch und das für unverschämte fünf Mark. So teuer war sonst nur Capital.

Nicht alle waren begeistert von dem Presse-Import: Frauengruppen wetterten gegen Ausbeutung und Chauvinismus, die politische Linke befürchtete, der Kampf für die sexuelle Befreiung käme durch die „Wichsvorlage“ zum erliegen – obwohl zu dieser Zeit selbst Konkret nie ohne eine nackte Revolutionsamazone auf dem Titel erschien. Wenn schon nackte Frauen, dann doch bitte als Agitprop und nicht zwischen kapitalismusverherrlichenden Rubriken.

Auch amtlicherseits machte man sich so seine Gedanken über den Playboy: Bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften wurde manche Überstunde geschoben, um jedes Schamhaar mußte van Nouhuys ringen. Als ihm die Sittenwächter allen Ernstes vorschreiben wollten, nur Bilder zu veröffentlichen, auf denen man nicht sieht, was unter dem Schamhaar ist, schimpfte er los: „Was sie hier machen, ist die totale Diskriminierung der blonden Frau.“

Flexibler zeigten sich in der Anfangszeit die Werbekunden: Schon in der ersten Ausgabe prosteten den Lesern nackte Mädchen mit frisch gezapftem Isenbeck oder einem Glas Bluna zu, und der Unterhosenspezialist Jockey reimte: „Top sein fängt unten an.“

Zurückhaltend war ausgerechnet die Autoindustrie, dabei hatte der Bauer-Verlag doch eigens für den Porschefahrer von Welt das komplette Lifestyle-Paket aus Mode, Essen, Sport und Henry Miller geschnürt.

Wenig später aber mußten die Porsche-Manager einsehen, daß in ihren Wagen nicht ausschließlich Zahnärzte saßen – sondern auch mancher Zuhälter. Als später noch die Spirituosen-Firmen ihre Millionen bei Bauer ablieferten, hätte eigentlich alles gut sein können. Doch die Erfolgsgeschichte des deutschen Playboys hatte einen entscheidenden Haken: den Leser. Der paßte nämlich so gar nicht zum Image vom urbanen, hedonistischen Blatt aus dem Schickeriahort München. Das Männermagazin wurde überwiegend auf dem Land gekauft, wo sich die ledigen Bauern bereitwillig ein Stück Großstadt vom Kiosk abholten. Als die Werbeabteilung des Playboy dann die vermeintlich geniale Idee mit den typischen Playboy- Aufklebern hatte, fuhr das Bunny- Emblem fast ausschließlich auf Heckscheiben von Opel Mantas und Ford Capris spazieren. Für den mondänen Mann kam 1977 die deutsche Ausgabe des französischen lui auf den Markt, den ausgerechnet Playboy-Mitbegründer van Nouhuys – inzwischen bei Bauer ausgestiegen – aus der Taufe hob. Lui drapierte die Mädchen nicht ganz so steril, sondern zeigte sie so, wie sich der deutsche Mann das laissez faire im Bett vorstellte: Ungeschminkt auf extra zerwühlten Laken. Komplettiert wurde der Markt wenig später durch das würzige Penthouse für alle, die auf Eckhart Witzigmanns Rezepte und Wolf Wondratscheks Kneipen-Lyrik verzichten konnten. „Über eine halbe Million Bürger stürzen sich auf die Sechs- Mark-Kataloge mit den räkelnden Miezen, schlüpfrigen Witzen, frivolen Cartoons, in denen sich geachtete Autoren Seite an Seite mit der schambehaarten Nacktheit anbieten“, mäkelte Mitte der Siebziger Jahre die Zeit.

Herrliche Zeiten waren das für den Playboy, als die Zeit noch errötete, als Alice Schwarzer noch imagefördernd Interviews ablehnte und die amerikanische Frauenrechtlerin Gloria Steinen bis nach Europa dröhnte, immer wenn sie Männermagazine lese, komme sie sich vor „wie ein Jude, der ,Mein Kampf‘ studiert“.

Ende der Siebziger Jahre störte sich niemand mehr an der Phalanx der Playmates, die am Kiosk hing. Kein Geschäftsmann versenkte den Playboy mehr in seiner FAZ, kein Richter klagte mehr, kein Zufallsleser schickte mehr wütende Briefe. Soweit ging das liberale Klima, daß Heinz van Nouhuys klagte: „Schade, so ein deftiges Verbot würde alle Verkaufszahlen hochtreiben.“

Die gingen auch von allein in die Höhe. Anfang der Achtziger koppelte sich die deutsche Sexualität völlig vom Politischen ab und mutierte zur Disziplin eines gemütlichen Hedonismus, der sich in Saunaparties und Kuschelfeten auf dem Flokati entlud. In dieser Hochzeit der spießbürgerlichen Erotomanen verkauften sich selbst billige Playboy-Imitate wie Cover oder High Society ganz gut.

Den absoluten Höhepunkt erlebte der Playboy 1984, als über eine halbe Million Hefte pro Monat verkauft wurden, und Helmut Kohl beim Mainzer Ball des Sports die Reihen der Playmates abschritt. Was sich freilich später als böses Omen herausstellen sollte.

Nur ein Jahr später saß der Hase in der Falle: Auf der einen Seite ließen die Privatsender Scharen jodelnder Lederhosen von der Leine, auf der anderen Seite wurde der Playboy von neuen Spezialtiteln umzingelt; für jedes Männerhobby ein eigenes Heft. Und plötzlich schalteten auch die Werbeagenturen ihre Reklame für Rolex und Chivas Regal lieber in seriösen Supplements wie dem FAZ-Magazin, die sich so manche Rubrik vom Playboy abschauten.

Noch einmal blies der ehemalige Wiener-Chefredakteur Wolfgang Maier 1992 zum Gegenangriff auf das Privatfernsehen. Doch in die von ihm ausgerufene „postfeministische Zeit“, in der die Mädchen plötzlich zwischen Schweinehälften hingen oder im Gras zwischen Gartenzwergen lagen, wollte ihm die „Elite männlicher Ultra-consumer“ nicht folgen.

„Machos und Paschas auf der Müllhalde der Geschichte und geile Dummchen ins Privat-TV“, dichtete dazu die damalige Bildchefin Saskia Middelburg – allein, es wollte niemand hören. Als Wolfgang Maier den Playboy 1993 verließ, konnte man ihn eigentlich nur noch schlachten.

„Götterdämmerung am Boulevard der Brüste“, freute sich die Zeit, und auch der Bauer-Verlag flüchtete in Fatalismus: „Entweder wir machen den Laden dicht oder lassen einen ganz Jungen ran“, beschreibt ein ehemaliger Mitarbeiter die damalige Stimmung – als der ganz Junge noch als stellvertretender Chefredakteur bei Max saß und noch nichts von seinem Glück wußte.

Inzwischen ist Nikolas Marten (33) seit fast vier Jahren Chefredakteur, und daß es zum 25jährigen Jubiläum der deutschen Lizenzausgabe überhaupt etwas zu Feiern gibt, ist vor allem sein Verdienst. Immerhin hat es der „Herr der Möpse“ (Badische Zeitung) geschafft, den rapiden Verfall aufzuhalten – auch wenn ihm so manche Ausgabe unter die magische Auflagengrenze von 200.000 Heften rutschte, bei der den Bauer-Managern jedesmal die Haare zu Berge stehen.

Auch wenn sich Marten um bekannte Autoren wie John Grisham und Michael Chrichton bemüht, am meisten nutzen ihm Prominente, die sich ausziehen. Zum Beispiel die Pro 7-Talkerin Arabella Kiesbauer. Von solchen Heften gehen schon mal 70.000 Exemplare mehr über die Theke.

Wenn es mit den Frauen aus Funk und Fernsehen mal nicht klappt, setzt Marten auf Covermädchen aus den neuen Bundesländern. Das sorge jedesmal für Aufruhr, freut sich der 33jährige, der mit seinem Pferdeschwanz und der alten Jeans auch als Chef der benachbarten Bravo durchgehen könnte. Kein Goldkettchen, keine Cowboystiefel aus Krokoleder, noch nicht einmal die Rolex am Arm ist echt. Das Mitbringsel eines Redakteurs gefällt Marten, „weil es so sinnlos nach Macht aussieht.“

Und dann blättert er stolz durch sein Heft und erklärt, warum auf die Nackte aus dem Fernsehen eine Reportage über Windhundrennen folgt. Und dann eine über Polo und dann wieder ein junges Mädchen. Und am Schluß noch eine Doppelseite über Polohemden. Also nicht gerade die Themenmischung, mit der man neue Leser reizt – oder? „Ist doch geil“, sagt Marten. „Wir müssen diesen bizarren Mythos am Leben erhalten.“

Ein Mythos, der immer schmaler wird. Allein im letzten Jahr verlor der Playboy 10 Prozent seiner Anzeigen, gerade mal 20 Seiten Werbung finden sich in jeder Ausgabe. Doch schlank liegt ja im Trend, und deshalb wird am nächsten Donnerstag im Münchener Nobelhotel Bayrischer Hof, wo einst der Lizenzvertrag unterschrieben wurde, standesgemäß gefeiert. Kashoggi kann nicht, Gunther Sachs wird wohl da sein.

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