: Palmenschöne Gefängnisse
■ Fotografien von Sabine Korth im Museum für Kunst und Gewerbe
Trotz fortgeschrittener Technik kann eine Kamera nicht gleichzeitig Innen und Außen, nah und fern, Sichtbares und Mitgedachtes auf einmal abbilden. Die Fotoserie, die Mehrfachprojektion, gar der Fotofilm sind Versuche, diesen Mangel zu beheben. Soll das Foto aber ein Einzelbild bleiben und trotzdem zahlreiche Ebenen nicht nur anklingen lassen, sondern auch zeigen, bietet sich die Fotomontage an.
Die weitgereiste Fotokünstlerin Sabine Korth nutzt diese seit über siebzig Jahren bekannte Technik, um ihre Erlebnisse zu verdichten. Die in Florenz lebende 39jährige zeigt im Fotoforum des Museums für Kunst und Gewerbe jetzt einige große, schwarz-weiße Positiv-Collagen aus den Jahren 1993-1996.
Trister Billardsalon und kaum weniger trister Kirchenraum werden zum Freizeitgefängnis, palmenschöne Erwartungen treffen sich mit gerne übersehenem, technischen Alltag. Typische Bildmotive des Südens stellen sich neu kombiniert als ganz und gar unrealistische Bildzeichen einer falschen Sehnsuchtsprojektion heraus oder tauchen, wie ein Kommentar zur allgemeinen Migration, in Bildern deutscher Provinz auf. Hohe Ideale und kümmerliche Realisierung stoßen hart gegeneinander und konstituieren ein internationales „Nowhere-Land“zwischen Poesie und Desillusionierung.
Vom Augenblick zur Einsicht“, diesen Prozeß wünscht man aller guten Fotografie. Im gerade erschienenen Buch über Sabine Korth ist dieser Erkenntnisweg schöner Titel eines Textes von Marlene Schnelle- Schneyder. Sie behandelt die Aufhebung der in der italienischen Renaissance entwickelten, durch die Fotografie in vorigen Jahrhundert erneut bestätigten Zentralperspektive, durch die heutige, elektronische Bildmanipulation. Zwar ist ein Foto weiterhin konventionell lesbar, sein eindeutiger Blickpunkt aber deswegen noch lange nicht. Der simple Stellvertreter-Blick des Fotos als Fenster in die Welt ist suspekt geworden. So ist die Wiederentdeckung auch des fotografischen Bildträgers als eigenes Medium nur konsequent und bietet der Collage neues Wirkungsfeld.
Hajo Schiff
Forum Fotografie, Museum für Kunst und Gewerbe, bis 10. August.
Heute, Donnerstag, 18 Uhr: Werkstattgesprächund Präsentation des Buches „Da Sud a Nord“, dreisprachig, mit 70 Duotone Fotos, Verlag „Art &“, Udine, ca 49 Mark
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