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Erneuerung der UNO ohne radikale Reformen

■ UN-Generalsekretär Annan stellt Programm vor. Großer Wurf bleibt aus

Genf (taz) – Mit einem „Reformprogramm zur Erneuerung der Vereinten Nationen“ will UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Handlungsfähigkeit und Effektivität des UNO-Systems stärken. Zugleich sollen die Kosten gesenkt beziehungsweise intern umgeschichtet werden. Das Programm, das Annan gestern der Generalversammlung in New York vorstellte, bleibt allerdings hinter der Erwartung auf eine „radikale Reform“ weit zurück.

Insbesonders in den beiden zentralen Arbeitsbereichen der UNO, Entwicklung und Humanitäres, verwarf Annan die Empfehlungen einer Reformarbeitsgruppe. Sie hatte die Zusammenfassung und zentrale Koordination aller in diesen beiden Bereichen tätigen UNO-Abteilungen und Sonderorganisationen vorgeschlagen.

Doch anstatt den großen Wurf zu wagen, nahm der als „kluger Pragmatiker“ geltende Annan Rücksicht auf die Proteste verschiedener Sonderorganisationen und Mitgliedsländer. Die im Entwicklungsbereich tätigen Organisationen wie das Kinderhilfswerk Unicef oder der Bevölkerungsfonds (UNFPA) sollen nun innerhalb einer neugeschaffenen „UNO-Entwicklungsgruppe“ ihre Arbeit besser koordinieren.

Im humanitären Bereich ist die Stärkung der Rolle des „Koordinators für Katastrophenhilfe“ beabsichtigt. Sonst bleibt alles beim alten. Zwecks Effektivierung des Managments in der UNO-Zentrale will Annan die Stelle eines stellvertretenden Generalsekretärs schaffen. Dieser soll dem Generalsekretär die täglichen Koordinationsaufgaben abnehmen.

Außerdem soll die Zahl der Abteilungen von zwölf auf fünf reduziert werden. Rationalisierungsmaßnahmen sollen die Einsparung von mindestens 1.000 Stellen erbringen. Von einer Fülle weiterer Einzelmaßnahmen erhofft sich der Generalsekretär Kostensenkung und Effektivitätssteigerung: darunter die Reduzierung des Papierausstoßes durch Verlagerung der UNO-internen Kommunikation auf elektronische Medien, die Einschränkung von Dienstreisen sowie die Zusammenlegung aller Büros der UNO und ihrer Sonderorganisationen in einem UNO-Mitgliedsland. Die Mittel, die bei der Reduzierung des Verwaltungskostenanteils von 38 Prozent auf 25 Prozent des UNO-Haushaltes freiwerden, sollen der Entwicklungsarbeit zugute kommen.

Fast alle Reformvorschläge Annans bedürfen einer Zustimmung der 185 Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung. Die Debatte wird Mitte September beginnen. Kurzfristig von Interesse ist zunächst die Reaktion der USA. Der US-Kongreß macht die Zahlung der im Mai eigenmächtig von 1,3 Milliarden auf 819 Millionen US- Dollar reduzierten Altschulden der USA von drei Bedingungen abhängig, die in den Augen der anderen Mitglieder unerfüllbar sind. Dazu gehört eine massive Senkung der UNO-Kosten, die weit über den in Annans Reformprogramm angepeilten Rahmen hinausgeht. Außerdem wollen die USA den US-Pflichtanteil am Haushalt von 25 auf 20 Prozent und am UN- Haushalt für friedenserhaltende Maßnahmen von 30 auf 25 Prozent reduzieren. Überdies dringt Washington auf die Erfüllung einiger politischer Forderungen, die das Haushaltsgebaren und zentrale Aktivitäten der UNO von der Vorabzustimmung des US-Kongresses abhängig machen würden. Andreas Zumach

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