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Nicht Knast, sondern Kerker

Anti-Folter-Komitee des Europarates erschüttert über Schmutz, Gestank und Überbelegung im Hamburger Untersuchungsgefängnis  ■ Von Elke Spanner

Das Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis ist „entsetzlich“: schmutzig, überfüllt und stinkig. Die Kritik ist zwar so alt wie das Gefängnis, aber dieses Mal kommt sie von exponierter Stelle. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates veröffentlichte gestern einen Bericht, der die U-Haftanstalt als ein „Relikt aus alten Zeiten“scharf angriff. Die Zellen seien zu klein und unzumutbar. Das Gebäude müßte dringend modernisiert und die Haftbedingungen für die Gefangenen verbessert werden.

Neben dem schlechten baulichen Zustand prangert das Komitee vor allem die Überbelegung der Zellen an. Nur acht Quadratmeter groß seien sie. Oftmals würden drei Gefangene auf einmal hineingepfercht.

„Falsch“, erwidert die Justizbehörde und weist die Kritik im Ganzen zurück: Die Zellen hätten einen Quadratmeter mehr, und höchstens zwei Gefangene müßten sie sich teilen. Eingeräumt wird jedoch eine „Überlastung“des Untersuchungsgefängnisses. Deshalb sei eine Doppelbelegung oft nicht zu umgehen.

Fast zynisch lesen sich die Vorstellungen des Komitees zu Freizeitaktivitäten der Gefangenen im Knast. Häftlinge müßten die Chance bekommen, „angemessene“Zeit am Tag in Gruppen zu verbringen, Sport zu treiben oder sich zu bilden. „Angemessen“finden die europäischen Wächter acht Stunden pro Tag. Im Holstenglacis-Knast dürfen die Gefangenen ihre Zelle eine Stunde täglich verlassen.

Daß das Untersuchungsgefängnis aus „alten Zeiten“stamme und deshalb bauliche und strukturelle Mängel aufweise, räumte Justizsprecher Steffen Judzikowski immerhin ein. Die Zellen hätten etwa anstelle normaler Fenster in Sichthöhe nur Oberlichter, die sich zudem nicht öffnen ließen.

Zwar soll das Hafthaus A, dessen Renovierung „in diesen Tagen“beginne, Fenster bekommen, die zu öffnen sind. Doch auch das werden nur Oberlichter sein. Mangelhaft sei zudem die Galeriebauweise: Die Flure hätten keine Zwischendecken, so daß sämtliche Stockwerke von einem Bewachungsturm in der Mitte aus einzusehen sind. Judzikowski: „Das verhindert soziale Kontakte unter den Gefangenen.“

Die Kritik des Europarat-Komitees stößt jedoch nur bei der Justizbehörde auf Empörung. Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Ralf-Dieter Fischer, hält einen „sachgerechten und vernünftigen Vollzug“im Holstenglacis-Gefängnis für unmöglich. Anstatt es endlich zu dezentralisieren, habe man jüngst noch ein nagelneues und teures Krankenhaus auf dem Gelände gebaut. Damit werde der Erhalt der Haftanstalt auf ewig zementiert. Für Manfred Mahr, Rechtsexperte der GAL, steht nicht nur das Knastgebäude selbst, sondern auch dessen Leiter Robert Mündelein „für ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert“.

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