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Perfekter Film zum Regenwetter

■ „Singin' in the Rain“heute abend umsonst und draußen

in Mann tanzt und singt glücklich durch einen Wolkenbruch, plantscht dabei wie ein Kind durch Pfützen und streckt sein strahlendes Gesicht dem Himmel entgegen, direkt in die Regentropfen und in die Kamera. Der Filmausschnitt gehört neben der Duschsequenz aus „Psycho“und der Abschiedsszene von „Casablanca“wohl zu den berühmtesten und am häufigsten gezeigten der Kinogeschichte. Aber anders als bei den Filmen von Hitchcock und Curtiz ist dieser perfekte Prototyp eines Videoclips leider auch schon alles, was die meisten Filmfreunde aus dem Film „Singin' in the Rain“kennen. Cineasten wandten sich lange Zeit mit Grausen von solchen „kitschigen“Musicals ab, und in Deutschland war der Film zudem noch mit einem fürchterlichen Verleihtitel geschlagen: Wer wollte schon im Kino oder auch nur vor dem Fernseher beim Ansehen von „Du sollst mein Glücksstern sein“erwischt werden?

Eine Ehrenrettung des Films tut also dringend not, denn „Singin' in the Rain“ist viel besser als sein Ruf. Nicht umsonst nennt Francois Truffaut diesen Film zusammen mit „Sunrise“, „Big Sleep“und „Rear Window“als die Hauptgründe für seine nostalgische Vorliebe für das Studio- und Starsystem von Hollywood. Genau dieses wird in „Singin' in the Rain“nämlich sehr komisch, klug und originell durch den Kakao gezogen. Natürlich muß in einem Musical mit romantischen Liedern eine Liebesgeschichte erzählt werden, aber weil die Autoren sie im Hollywood der Wende vom Stumm- zum Tonfilm ansiedelten, konnten sie den Film mit trefflichen Karikaturen von Hollywoodtypen bevölkern.

So etwa mit der wunderbar bornierten Schauspielerin Lina Lamont, deren kratzige Stimme die Tontechniker des Studios in den Wahnsinn treibt und die alles glaubt, was in den Zeitungen über sie steht. Gene Kelly spielt ihren altgedienten Stummfilmpartner, der im Gegensatz zu ihr den Sprung in die Tonfilm-Ära mit Bravour bewältigt, ganz nebenbei noch die Sychronisation erfindet und sich in die junge Schauspielerin verliebt, die den Film rettet, indem sie ihrer Rivalin ihre Stimme leiht.

Man muß auch heute noch die Raffinesse bewundern, mit der die Drehbuchautoren Adolph Green und Betty Comden geniale Shownummern um die technischen Probleme des Filmemachens herumbasteln: Um das Positionieren der Mikrophone oder den zu grob klingenden Akzent der Schauspieler. Denn sie begannen ihre Arbeit nicht etwa mit einer Geschichte oder einem fertig geschriebenen Musical, sondern mit einer Reihe von Hitsongs der Komponisten Arthur Fred und Nacio Brown, aus denen der Produzent unbedingt einen Film machen wollte. Schlechte Voraussetzungen für ein gutes Drehbuch, aber Green und Comden machten aus der Not eine Tugend, erinnerten sich an all die Katastrophen und Anekdoten, die in Hollywood über die frühen Tage des Films erzählt wurden, und verarbeiteten sie zu dieser satirischen Liebeserklärung an das Kino.

Ein weiterer Glücksfall war die Co-Regie von Gene Kelly und Stanley Donen, die nie wieder auch nur annähernd so gut inszenierten wie hier. Die Choreographie des einen wurde ideal durch die filmtechnische Versiertheit des anderen ergänzt. So etwa in der Titelnummer, wo der Kamerakran genau dann über dem Gesicht von Kelly seinen Schwenk beendet, wenn dieser „With a Smile on my Face“singt. Und selten war ein Tänzer und Sänger in einem Filmmusical so liebenswert und bescheiden wie Kelly hier. Während Fred Astaire immer ein wenig angeberisch und selbstherrlich bei seinen akrobatischen Tanzsprüngen wirkte, bewegt sich Kelly scheinbar so mühelos, so anmutig und natürlich, daß selbst jene, die tanzende Männer aus Prinzip albern finden, sich seinem Charme kaum entziehen können.

Und schließlich eignet sich „Singin' in the Rain“ideal für Open Air-Vorführungen, denn ein kleiner Regenschauer während der Vorführung wäre hier ausnahmsweise kein Ärgernis, sondern ein willkommener dramaturgischer Effekt.

Wilfried Hippen

Open-Air im Haus am Walde, heute abend 22 Uhr, Eintritt frei / Originalfassung mit Untertiteln

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