: Von unten und darüber
■ „Kinder, Krach und große Ohren“von Karoline Kehr und Elisabeth Stiemert
Wer über einer „Frau von Unten“lebt, hat's nicht leicht. Familie „Darüber“lebt in einer viel zu engen Wohnung. Deshalb beschließen Eltern und Kinder, umzuziehen und finden eine wunderschöne helle Wohnung, in der sie vor Freude tanzen und laut lachen. Doch der Spaß ist vorbei, als es an der Tür klingelt: „Frau von Unten“, stellt sich die wutentbrannte alte Dame vor, die empört ist über soviel Lärm. Die großohrige, humpelnde Frau beschwert sich so häufig, daß die Kinder vor Angst mucksmäuschenstill werden. Die völlige Stille kann die Meckertante jedoch auch nicht ertragen und reagiert mit einer „Horchhypertrophie“. Ihre Ohren werden so lang, daß sie wie Bettvorleger auf dem Boden liegen. Gesund wird die langohrige Dame erst wieder durch den nun ärztlich von Herrn Dr. Sowieso verschriebenen Krach der Kinder.
Begleitend zu der Ausstellung ihrer Modelle stellte die Graphikerin Karoline Kehr am Donnerstag in der Zentralbibliothek Große Bleichen ihre Bilder zu dem gemeinsam mit Elisabeth Stiemert herausgegebenen Buch Kinder, Krach und große Ohren vor. Sie erklärte den Kindern anschließend ihre außergewöhnliche Arbeitsweise. Die Künstlerin baut zu all ihren Illustrationen zunächst puppenstubenartige Kulissen, die wie kleine Bühnenbilder aussehen. Danach werden sie fotografiert und farbkopiert. Die Bilder werden dann durch Farbe, Figuren und Collagen verfremdet. Durch diese Mischung aus Foto und Zeichnung wirken die Bilder sehr plastisch, fast surreal. So verdeckt die riesengroße „Frau von Unten“vollkommen den Vater der Kinder, als sie in der Tür steht. Die Familie wird angesichts der zickigen Alten vor Angst ganz klein. Die Bilder sind durch die kräftigen Farben und die bis zur Karikatur verzerrten Figuren zugleich poetisch-verträumt und witzig. Der Text von Elisabeth Stiemert nimmt sich dagegen etwas bieder aus. Die Kinder sind allzu brav und das Familienleben unglaublich harmonisch. Die Autorin hätte sich von der frechen Eigenwilligkeit der Bilder ruhig etwas abgucken können. Katja Fiedler
Elisabeth Stiemert und Karoline Kehr: „Kinder, Krach und große Ohren“, Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 1996, 27 Seiten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
