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Die Kunst zum Auto

■ „La Fura dels Baus“ist mit „Simbiosis“zur Mercedes-Promotion in Hamburg

Oh Lord. Spätestens seit Janis Joplin für einen Mercedes Benz betete, weiß die Welt, daß Outlaw-Künstler Inlaw-Statussymbole nicht verteufeln müssen, sondern ein inniges Verhältnis zu ihnen pflegen können. Wünschten sich jedoch früher die Künstler flotte Autos, wünschen sich heute die Autos flotte Künstler. In den Neunzigern heißen nicht mehr die Songs „Mercedes Benz“, sondern die Volkswagen „Genesis“. Und bei Daimler-Benz hat das 21. Jahrhundert selbstverständlich schon begonnen. Mit der neuen A-Klasse wurde, so weiß man in Stuttgart, unangefochtenes Zentrum der Avantgarde, „nicht nur der technisch, sondern zivilisatorisch notwendige Schritt ins dritte Jahrtausend getan“. Nicht mehr Kunst für Autos oder Autos für Kunst – „Ökonomie und Ästhetik fließen zu einer Symbiose zusammen“. Wie ließe sich das angemessener feiern als mit einem „Makroereignis“, das konsequenterweise Simbiosis heißt und von einer echten Avantgarde-Performance-Gruppe vorgestellt wird?

Nun hat Javier Hensel Cereza, Regisseur der katalanischen Aktionstheatergruppe La Fura dels Baus, die mit Simbiosis für Daimler-Benz auf „A-Motion-Tour“seit Mai durch die Republik zieht, festgestellt, daß sie in einem Moment agieren, „in dem die Grenzen der Kreativität bereits überschritten sind“. Was immer er damit gemeint hat – er hat recht. Nur, ob Daimler-Benz das verstanden hat, bleibt fraglich. Der Konzern preist das Spektakel als „Kultur zum Anfassen“, während die Katalanen stets an einem Theater zum Weglaufen gearbeitet haben. Schon bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland, 1986 beim Internationalen Sommertheater Festival auf Kampnagel, wurde das Publikum vor einer Veranstaltung gewarnt, „für die man nicht seine besten Sachen anziehen sollte“. Auch bei den folgenden Tourneen jagten die Künstler die Zuschauer bei ihren exzessiven Blut-, Schlamm- und Materialschlachten stets wie Kaninchen durch die Hallen.

Aber, wie bereits festgestellt, die Zeiten ändern sich. Das einst „radikalste Theater Europas“inszenierte 1992 die Eröffnung der Olympiade in Barcelona, deren Uridee doch das friedliche Miteinander ist. Warum also sollte Daimler-Benz nicht mit dem „revolutionären Konzept“der A-Klasse werben? Und wer weiß, vielleicht wird an dieser Stelle das revolutionäre Potential der gepriesenen Symbiose von Kunst und Kommerz eklatant unterschätzt, und Fura zertrümmern am Dienstag schnittige Mini-Blechwannen und verhelfen ihnen durch ein in den Himmel schlagendes Benzinfeuer zu einer Größe, mit der selbst die Mercedes-Marketingabteilung nicht gerechnet hat. Oh Lord. Christiane Kühl

Öffentliche Proben: heute bis Montag, 20.30 Uhr; Premiere: Dienstag, 20.30, Deichtorhallenplatz.

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