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114 Namen und eine gute Fee

Lobby für den Nutzhanf: Die Berliner „Fördergesellschaft Erneuerbare Energien“ – ein bundesweites Netzwerk für die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und Umwelttechnologien  ■ Von Klaus Bruske

„Wir sind gute Fee, Forum und Ideenbörse“, sagt Eberhard Oettel halb scherzhaft, halb ernst. Unter falscher Bescheidenheit leidet der Vorstand der „Fördergesellschaft Erneuerbare Energien“ (FEE) nicht. „Unser innovatives Netzwerk modernster Umwelttechnologien“, wie er die FEE am liebsten nennt, habe sich seit seiner Gründung vor vier Jahren gut gemausert. „Zumindest im gesamten Brandenburg-Berliner Raum sind wir in unserer Art die einzigen.“

Die Fördergesellschaft, die mitten im Wald, in der Berlin-Köpenicker Wuhlheide, ihren Sitz hat, steht mittlerweile für 114 Namen und Adressen in neun Bundesländern und Österreich, für einen Zusammenschluß kleiner und mittlerer Unternehmen, für die Kooperation von privaten wissenschaftlichen Einrichtungen, die an Energieeinsparung, rationeller Energieumwandlung, Anwendung erneuerbarer Energien sowie allgemeiner Umwelttechnologien arbeiten. Vor allem aber wird an der FEE für das Ersetzen umweltschädlicher, verbrauchsintensiver und knapper Stoffe durch nachwachsende Naturprodukte, neuerdings nicht zuletzt durch Hanf, gearbeitet. Zum Beispiel „Faliten“, die weltweit erste und einzige aktive Reinigungslösung für Industrie, Handwerk, Gewerbe und Haushalt, die sich mit der Gewässergefährdungsklasse „Null“ schmücken kann. Sie beruht unter anderem auf Hanf-Tensid-Basis.

Die FEE-Firma „Geothermie“ verfügt bundesweit über die wohl profundesten Erfahrungen beim Finden, Nutzen und Speichern von Erdwärme. „Von 30 Bohrungen werden 29 fündig“, so der FEE- Chef. Drei geothermische Heizkraftwerke betreibe sie bereits in Waren, Neubrandenburg sowie in Prenzlau und sei mit ihrem „Aquifer-Speicher“ unterm Berliner Reichstag dabei. Prinzip: Im Sommer wird die über Solarzellen sowie ein Blockheizkraftwerk auf Pflanzenölbasis produzierte Wärmeenergie im Kiesbett des Spreetals tief unter dem Parlament gespeichert und im Winter praktisch ohne Verlust genutzt.

Auch das Ingenieurbüro „Dr. Riedel Automatisierungstechnik Berlin-Prenzlauer Berg“ zählt sich zur FEE. Die mittelständische „Denkfabrik“ erhielt 1992 für ihr „Drei-Punkt-Temperaturmeß- und Regelsystem“ den Innovationspreis des Landes Brandenburg. Ob einzelne Wohnungen, ganze Blocks oder wie jetzt die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ in ihrem neuen Verwaltungsgebäude in Osnabrück: Bis zu ein Drittel weniger Heizungsenergie verbraucht die neuartige Anlage, deren Regelherz in einem Aktenkoffer Platz hat.

Die „Ingenieurgesellschaft für Energie- und Kraftwerkstechnik Cottbus“ und der frühere Rechtsanwalt Baron Dietrich von der Ropp begaben sich noch unter das gemeinsame Dach der FEE. Erstere machte sich mit ihrem Prototyp dörflicher Nahwärmeversorgung auf Holzhackschnitzel-Basis (das, was bei Brandenburgs Wald- und Alleepflege so anfällt) in Klein Loitz/Niederlausitz zum Schrittmacher für erneuerbare Energien dank nachwachsender Rohstoffe. Der Baron dagegen betreibt seit dem Frühjahr 1997 im Dörfchen Wulkow bei Neuruppin mit zehn Mitarbeitern seine „Karphosit“- Fabrik. Dort werden bundesweit bisher einmalig Lehmbauplatten industriell gefertigt. „Sie müssen sich das wie beim Legobausteinkasten vorstellen“, erläutert Oettel, „die Dinger werden mit Nuth und Feder versehen und nach dem Fachwerkprinzip zusammengesetzt.“ Natürliche Dämmstoffe wie Schafwolle oder jetzt schon Matten aus verfliesten Hanffasern machten so ein „Karphosithaus“, Stückpreis derzeit rund 200.000 Mark, dann „baubiologisch perfekt“.

Das Bild der FEE wäre unvollständig, würden der „Lehrstuhl für thermische Kraftanlagen und Heizwerke“ an der Technischen Universität München/Bayern sowie das „Institut für Wärmetechnik“ der TU Gratz/Österreich vergessen. Beide gehören der 1994 gemeinsam mit Brandenburgs Technologie- und Innovationsagentur (TINA) begründeten, nationalen Arbeitsgruppe „Vergasung nachwachsender Rohstoffe“ an.

Gemeinsam mit der Ost-West- Akademie in Berlin-Grunewald knüpfte man bisher feste Verbindungen zwischen osteuropäischen und regionalen Unternehmen. Dem diente eine Serie von Workshops zu Zukunftstechnologien. Tschechien, die Slowakei und Ungarn hat man so schon zu Gast gehabt und erwartet nun bald Interessenten aus Lettland und Polen. Zum gesuchten Forum haben sich zudem die von FEE jährlich und immer mit wechselnden Partnern organisierten Tagungen entwickelt. In den vergangenen Jahren seien dabei solche Themen wie „Hanf, Roggen, Holz – stoffliche und energetische Verwertung nachwachsender Rohstoffe“ oder „Wege zum Berlin-Brandenburger Nullenergiehaus“ rundherum abgeklopft worden, resümiert Eberhard Oettel. Erst unlängst hat das gemeinsam mit dem Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim und der Arbeitsgruppe Bioenergie Brandenburg getragene Symposium mit der Ausstellung „Nachwachsende Rohstoffe im Land Brandenburg“ erneut zwei Dutzend Experten aus Politik und Wissenschaft sowie ausgewiesene Praktiker vereint.

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