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IRA verspricht vier Monate Frieden

Um an Verhandlungen teilzunehmen, muß die nordirische Untergrundorganisation ihre Waffen nicht ausmustern. Nun drohen Unionisten, die Friedensgespräche platzen zu lassen  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Seit gestern mittag ruhen die IRA-Waffen, und in Nordirland hofft man auf einen dauerhaften Frieden. In einer Erklärung, die einem Reporter des irischen Fernsehens am Samstag in den Block diktiert wurde, sagte ein IRA-Sprecher, man habe „die unmißverständliche Wiederherstellung des Waffenstillstands vom August 1994 angeordnet“, alle IRA-Einheiten seien entsprechend instruiert worden. Der damalige Waffenstillstand sei nach 17 Monaten „widerstrebend aufgegeben“ worden, weil die britische Regierung und die probritischen Unionisten „jede Möglichkeit für umfassende Verhandlungen blockierten“. Jetzt sei man bereit, die „Suche nach einer demokratischen Friedenslösung“ zu fördern.

Entscheidend für die erneute Waffenruhe war, daß sich die Regierungen in London und Dublin am Freitag darauf geeinigt hatten, die Ausmusterung der IRA-Waffen nicht zur Vorbedingung für die Verhandlungsteilnahme des politischen IRA-Flügels Sinn Féin zu machen. Statt dessen will man darüber nun parallel zu den Friedensverhandlungen reden.

Wenn sich die IRA sechs Wochen ruhig verhält, könnte Sinn Féin am 15. September am Runden Tisch Platz nehmen – falls es ihn dann noch gibt. Peter Robinson, Stellvertreter des radikalen Protestanten-Pfarrers Ian Paisley, sprach am Wochenende bereits vom „Ende der Mehrparteiengespräche“. Die Wiederherstellung „einer Pseudo-Waffenruhe“ sei „völlig unbefriedigend“. Ken Maginnis von der größten unionistischen Partei, den Ulster Unionists, sagte: „Ich vermisse das Wort dauerhaft, ich sehe nirgendwo einen Hinweis, daß der Waffenstillstand langfristig sein soll.“

Das ist er zunächst auch nicht. Aus IRA-Kreisen heißt es, die Waffenruhe gelte vorerst für vier Monate. Danach soll die Generalversammlung, das höchste Gremium der IRA, über die Fortdauer entscheiden. Dieser Zeitplan soll den Hardlinern in der IRA den Waffenstillstand schmackhaft machen. Nach wie vor sind weite Teile der Organisation gegen die Aufgabe des bewaffneten Kampfes.

Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams wollte sich gestern nicht zur Begrenzung der Waffenruhe äußern. „Ich werde die IRA-Erklärung nicht interpretieren“, sagte er. Die Entscheidung für den Waffenstillstand ist offenbar nicht von dem siebenköpfigen Armeerat getroffen worden, sondern vom Exekutivausschuß, der zwölf Mitglieder umfaßt. Die Vollversammlung der IRA hatte die Kompetenzen vor kurzem neu verteilt, um den Einfluß der Pro-Adams-Fraktion einzuschränken.

Adams sagte, die britische Regierung habe ihm versichert, daß eine Ausmusterung der IRA-Waffen in der Praxis nicht stattfinden müsse. Damit goß er Öl in das unionistische Feuer. Ken Maginnis sagte, die gesamte unionistische Bevölkerung Nordirlands fühle sich verraten, da „die Terroristen nun doch ihre Waffen an den demokratischen Verhandlungstisch bringen“ dürfen. Seine Partei fühle sich brüskiert, daß der britische Regierungschef Tony Blair hinterrücks mit Sinn Féin gesprochen habe, während seine Nordirland- Ministerin Mo Mowlam versichert habe, daß es keine Kontakte gebe.

Robert McCartney von der dritten unionistischen Partei, den UK Unionists, sagte, die Teilnahme seiner Partei an den Mehrparteiengesprächen sei ernsthaft gefährdet. Die politischen Flügel der bewaffneten protestantischen Organisationen begrüßten dagegen den IRA-Waffenstillstand. Billy Hutchinson, einer ihrer Sprecher, warnte, daß die Regierungen unter sich einen Deal verabreden könnten, falls die Unionisten die Gespräche platzen lassen.

Viel hängt von den Treffen zwischen Blair und den nordirischen Parteien in den nächsten drei Tagen ab. Am Mittwoch wird sich entscheiden, ob die unionistischen Parteien im September, wenn Sinn Féin hinzukommt, noch am Runden Tisch sitzen werden.

Kommentar Seite 10

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