Nachgefragt
: Totes Volksbegehren

■ Wie chancenreich ist „Volkes Begehr?“

Der Bremer Senat wird heute voraussichtlich das Volksbegehren des Bremer Mietervereins zur angemessenen Wohnraumversorgung ablehnen. Die Gesetzesinitiative sei verfassungswidrig, da sie die Finanzhoheit des Senats einschränke, heißt es (wir berichteten). Der Mieterverein hatte das Volksbegehren angestrengt, um zu verhindern, daß Bremen durch den Teilverkauf der Bremischen und der Gewoba Einfluß auf eine sozialverträgliche Gestaltung der Mieten verliert. Die taz sprach mit dem Geschäftsführer des Mietervereins, Helmut Engelmann, über die Zukunft solcher Volksbegehren.

taz: Herr Engelmann, haben Sie mit einer solchen Entscheidung gerechnet?

Helmut Engelmann: Befürchten mußte man das, da schon andere Volksbegehren mit dieser Begründung abgelehnt worden sind – so etwa das Volksbegehren zur Bildung. Gut finde ich das überhaupt nicht, daß sich der Senat wieder in diese Argumentation flüchtet. Wenn es die Möglichkeit eines Volksbegehrens schon per Gesetz gibt, sollten die Bürger auch darüber entscheiden können, ob der Senat sie mit angemessenem Wohnraum versorgen muß.

Wenn die Gesetzesinitiative aber verfassungswidrig ist?

Wir wußten, daß es diese haushaltsrechtliche Hürde gibt. Deshalb haben wir Professor Dr. Ottmar Jung von der Freien Universität Berlin mit einem Gutachten beauftragt. Der kommt zu dem Schluß, daß unsere Initiative zulässig ist.

Wenn der Senat das Volksbegehren ablehnt, landet die Angelegenheit vor dem Staatsgerichtshof. Rechnen Sie sich dort noch Chancen aus?

Wir sind optimistisch, daß unser Rechtsgutachten dort anerkannt wird. Wenn ein Volksbegehren überhaupt einen Sinn haben soll, darf es nicht immer an der Hürde des Haushaltsrechts scheitern. Damit sind alle Volksbegehren von Anfang an tot. Irgendwie hat alles mit Geld zu tun – solange man nicht fordert, im Bürgerpark dürften keine Enten laufen.

Die Bremer Verfassung läßt also Volksbegehren zu, obwohl sie sie gar nicht zuläßt.

Richtig! Man sieht in der Praxis, daß es nicht läuft. Unser Volksbegehren ist nun schon das zweite, das abgelehnt wird. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

Unabhängig davon – der Zentrale Elternbeirat fordert jetzt, angesichts des eigenen Volksbegehrens Bildung, die Schwelle für ein erfolgreiches Volksbegehren nicht von der Teilnahme von 50 Prozent aller Wahlberechtigten, sondern nur noch von 25 Prozent abhängig zu machen.

Diese 50 Prozent finde ich auch zu hoch. Davon muß man tatsächlich mal heruntergehen.

Fragen: Jens Tittmann