: Schiffbauers Strohhalm: Kurzarbeit
■ Der Schichau-Seebeckwerft geht die Arbeit aus. Für mögliche neue Aufträge muß aber die Belegschaft zusammenbleiben
Es war ein Strohalm, den Konkursverwalter Wolfgang van Betteray gestern in aller Frühe den versammelten Bremerhavener Schiffbauern präsentierte. Per Kurzarbeitergeld soll eine auf 650 Köpfe geschrumpfte Belegschaft der bankrotten ehemaligen Vulkan-Tochterfirma Schichau Seebeckwerft AG zusammengehalten werden, bis eventuell im nächsten Jahr mit den Arbeiten an einem neuen Auftrag begonnen werden kann. Die Vulkan-Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus, soll aber nach Angaben von Arnold Knigge, Staatsrat im Arbeitsressort, nicht verlängert werden.
So bleibt es unklar, wie genau es weitergeht, wenn die bislang letzte Fähre an die tunesische Reederei Cotunav im Oktober ausgeliefert wird. Um dieses Datum herum wird sich auch entscheiden, ob die Cotunav ein weiteres 300-Millionen-Mark teures Fährschiff namens „Super Habib“in Bremerhaven bauen läßt. Einen Bericht der Rostocker Ostsee-Zeitung wonach der Auftrag bereits nach Finnland vergeben sei, dementiert der SSW-Vorstandschef Hans Tempel. Für Optimismus sorgt in Bremerhaven, daß die Meyer-Werft aus Papenburg beim „Super-Habib“mit SSW zusammenarbeiten will. Daß in Papenburg auch der verzweifelt gesuchte Übernehmer der SSW sitzen könnte, hatte ein Meyer-Sprecher kürzlich gegenüber der taz zurückgewiesen.
Nach den Vorstellungen, die SSW-Konkursverwalter van Betteray und Betriebsräte gestern bei der Betriebsversammlung skizzierten, sollen die weiterhin benötigten Schiffbauer in die neu gegründete Schichau-Seebeckwerft Fähr- und Spezialschiffbau GmbH überwechseln. Bis sie tatsächlich in den Konstruktionsbüros und Werkhallen gebraucht werden, sollen sie – wie zuvor in Mypegasus – strukturelles Kurzarbeitergeld erhalten. Dieses Instrument darf einzelnen Arbeitnehmern 24 Monate lang gewährt werden. Rechtlich wären solche Zahlungen bis zum April 1998 möglich. Die Wettbewerbshüter der EU dürften keine Einwände haben, wird versichert.
„Wir versuchen unterdessen, die Pause mit soviel Arbeit wie möglich zu überbrücken“, sagt SSW-Vorstandschef Tempel. So werde die Bremerhavener Lloyd-Werft die Stahlsektionen für die Verlängerung des Kreuzfahrtschiffs „Windward“beim Nachbarn SSW fertigen lassen. Auch für Meyer Papenburg übernehme die Werft Ausrüstungsarbeiten für Neubauten.
Bleibt die „Beschäftigungslücke“, die selbst bei optimalen Verlauf droht: Im Arbeitsamt Bremerhaven, das den Löwenanteil einer Kurzarbeiter-Lösung finanzieren müßte, ist noch keine offizielle Anfrage eingegangen. Nur Planspiele seien gemacht worden, hießt es. Daß die Schiffbauer innerhalb der Fährschiff-GmbH „strukturelles Kurzarbeitergeld“bekommen könnten, schließt der stellvertretende Arbeitsamtschef Horst Schepelmann jedoch aus. Falls eine nicht im Konkurs befindliche Firma die Arbeiter einstelle, sei allenfalls das normale Kurzarbeitergeld denkbar. Aber nur dann, wenn die Werft einen festen Auftrag nachweisen könne. Nachteil für SSW: Die Firma müßte die Sozialversicherungsbeiträge und andere Kosten (sog. Remanenzkosten) aus eigener Tasche finanzieren. Beim Mypegasus-Modell hatten die Länder Bremen und Niedersachsen diese Kosten übernommen. jof
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