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Viel geliebt, wenig erfolgreich

Friedrich Wilhelm II. war Nachfolger Friedrich des Großen auf dem Preußenthron. Zu seinem 200. Todestag wird der Mäzen und notorische Lüstling im Potsdamer Marmorpalais und dem Charlottenburger Schloß geehrt  ■ Von Ansgar Oswald

Groß und massig, mit laszivem Blick, die eine Hand lässig in die Hüfte gestützt, die andere auf dem Reitstock: So porträtierte 1790 der Braunschweigische Hofmaler Johann Heinrich Schröder den Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. Empfänger solcher Bildnisse waren die zahlreichen Mätressen, die zur höfischen Entourage des Königs gehörten. Die erste wilde Romanze hatte der bereits verehelichte Friedrich Wilhelm 1767 als 23jähriger Kronprinz mit der zehn Jahre jüngeren Trompetertochter Wilhelmine Encke.

Ein anderes Gemälde von Friedrich Georg Weitsch zeigt die Prinzessinen Luise und Friederike, wie sie die Büste des Königs mit einem Olivenzweig und Rosen bekränzen. Zur Berliner Akademie- Ausstellung 1795 war die Allegorie auf den Baseler Frieden, in dem sich Preußen aus der Koalition gegen das revolutionäre Frankreich ausklinkte, mit der Sentenz „Dem Beglücker des Vaterlandes ihrem Beschützer die dankbaren Künste“ versehen.

Die Geschichtsschreibung hat ein eher vernichtendes Urteil über seine Regentschaft gefällt. Noch 1984 resümierte Gerd Heinrich in seinem Standardwerk über die Geschichte Preußens: „Selten hat ein Thronfolger so günstige Voraussetzungen für eine glückliche Regierungszeit vorgefunden – und ebenso selten war ein so rascher Verlust des Ansehens zu beobachten wie bei Friedrich Wilhelm II., dem ,Vielgeliebten‘ und auch deshalb Mißerfolgreichen.“ Friedrich Wilhelm II., der Preußen von 1786 bis 1797 regierte, verkörperte das Gegenteil seines spartanischen Onkels, Friedrich des Großen. Er war ein Mann der Sinnesfreuden, aber er war kein Verschwender, schon gar kein Militär, um so mehr ein begabter Mäzen. Der Monarch katapultierte Preußen aus dem Rokokoschlaf in die neue Zeit – und die war klassizistisch. Den Bruch mit der vierzigjährigen friderizianischen Herrschaft statuierte er mit dem Umzug von Potsdam nach Berlin auch symbolisch.

„Preußens Weg zum Klassizismus“ lautet der Titel einer Ausstellung, mit der die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg den Preußenkönig im Marmorpalais im Potsdamer Neuen Garten sowie im Schloß Charlottenburg ehrt. Anlaß ist der 200. Todestag des Regenten, der mit der Wiedereröffnung des in den letzten sechzig Jahren geschlossenen Marmorpalais zusammenfällt.

Nach dem Vorbild des Wörlitzer Landschaftsparks bei Dessau, einem aufklärerischen Musterland in Form des englischen Landschaftsgartens, formte der Sohn des Wörlitzer Hofgärtners, Johann August Eyserbeck, zwischen 1787 und 1797 den Neuen Garten am Heiligen See. Den Park als poetische Landschaft krönte Carl von Gontard mit dem Marmorpalais, einem palladianischen Lustschloß am Wasser. In der authentischen Umgebung vermitteln die 589 Exponate der Ausstellung ein umfassendes Bild von der ersten Blüte des Klassizismus in Preußen. Präsentiert werden Gemälde, antike und neuzeitliche Skulpturen, Musikinstrumente, Möbel, Keramiken, Architekturentwürfe und -modelle bis hin zu Stadtplänen. Darunter der Entwurf für Neuruppin, das nach dem Stadtbrand von 1787 als klassizistische Musterstadt aufgebaut wurde. Im Schloß Charlottenburg ist gleichzeitig die umfangreiche Sammlung der Königlichen Porzellanmanufaktur aus der Ära Friedrich Wilhelms zu sehen.

Doch die Ausstellung will nicht nur Kunst zeigen, sondern vor allem auch jene Epoche widerspiegeln, deren dynastische Ordnung 1789 durch die Französische Revolution erschüttert wurde. Der Klassizismus als idealisierender Rückgriff auf die antike Kultur war auch Ausdruck einer Verbürgerlichung der gesamten Lebenskultur.

Mit der Berufung Asmus Jakob Carstens zum neuen Hofmaler gelangte die Historienmalerei mit antiken Motiven wie „Taufe des Achilles“ oder „Schule des Plato“ zur Blüte. Carstens brillierte auch in ästhetisch überzeichneten religiösen Gemälden und beherrschte die ganze Palette der „vaterländischen“ Themen. In narrativen Bildern wird Friedrich der Große als jovialer Landedelmann verklärt. Auch Landschaften, Dörfer und Städte, vorzugsweise gotische Bauten und Volksmythen wie die schottische Ossian-Dichtung werden Gegenstände der Heimatmalerei. Die Umwidmung des französischen Komödienhauses am Gendarmenmarkt 1787 in ein Nationaltheater kommentierte der König mit den Worten: „Wir sind Teutsche und wollen es bleiben.“ Berlin war Mittelpunkt des geistigen Lebens in Preußen und die hauptstädtische Salonkultur Parkett der kulturellen und wissenschaftlichen Prominenz.

Von einem national-bürgerlichen Wir-Gefühl am Ende des 18. Jahrhunderts zu sprechen wäre verfrüht. Aber die Französische Revolution machte den europäischen Dynastien sehr zu schaffen. „Friedrich Wilhelm II“, schreibt der Historiker Gerd Heinrich im Ausstellungskatalog, „verkörperte und repräsentierte den europäischen Dynasten und den bürgernahen Aristokraten des Aufklärungszeitalters.“ Der Monarch regierte in einer Zeit des gesellschaftlich-kulturellen Übergangs. Er war ein „Herrscher des Nicht mehr und des Noch nicht“, wie Wolf Jobst Siedler schreibt, aber keineswegs ein Bankrotteur seines eigenen Regimes.

Bis 14. September, Marmorpalais, Potsdam; bis 12. Oktober, Schloß Charlottenburg, Berlin

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