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Auf Treckern und Rollern

■ Großfamilie Porschefahrer spielte am Sonnabend nachmittag in Seebergen

Da war sie doch glatt mit dem falschen Wagen gekommen. Hatte am Sonnabend früh zum ersten Mal in ihrem Leben im „entzückenden“Künstlerdorf Worpswede gestanden und – irgendwer muß die verarmten Künstler ja unterstützen – auch gleich drei Bilder gekauft; da wollten die einfach nicht ins Auto passen. Doof war das.

Und dann knallte sie noch mit 160 Sachen von Worpswede zum Falkenberger Kreuz und mußte sich anschließend von ihren Clubgenossen fragen lassen, ob sie mehrere Führerscheine besäße. Immerhin kann sich die karotingebräunte dunkelhaarige Dame noch an den Wagen erinnern, den sie so schnöde überholt hat: „Ach, ihr seid die mit Max und Moritz hintendrauf. Das ist ja ganz süß.“

Dumm nur, daß sie mit einem anderen Auto jetzt nicht hier auf dem Hof Seebergen an der Koppel stehen würde und ihren Gesinnungsgenossen beim Treckerfahren und Schlammaufwirbeln zugucken könnte. Porsche-Trecker natürlich. Schließlich ist Porsche-Club Deutschland-Treffen. 200 Leute aus der ganzen Republik und sogar ein paar Schweizer sind der Einladung gefolgt. Jetzt stehen sie in Seebergen.

Den ganzen Vormittag hat die Meute in Worpswede und Fischerhude verbracht. In zwei Schichten – wo sollen da schon 115 Porsche parken? Mordsmäßig Eindruck soll das gemacht haben – soviele ihrer geliebten, getunten und gestylten Luxussymbole. Nur daß deren Insassen, sobald sie ihre Autos verlassen und den wachsamen Augen der Helfer der Freiwilligen Feuerwehr übergeben wurden, ein bißchen mittelmäßig wirken.

Gar nicht so wie die, die sich zu ihren drei Villen passend zur Innendeko noch einen Carrera leisten, sondern mehr so wie solche, die jahrelang geschuftet haben, ihren Bausparvertrag immer noch nicht ausgezahlt kriegen, aber ihren Nachbarn wenigstens abends mit einer schnieken Karre imponieren wollen. Erstere haben solche Veranstaltungen vielleicht auch nicht nötig.

Aber dafür haben die, die hier sind, die echten Clubjacken: Diese grünen Steppteile mit dem Porsche-Club-Deutschland-Emblem und jeder Menge Sticker, wie vermeintliche „Traveller sie immer aus fernen Ländern mitbringen. „30 Jahre Porsche 911“steht da drauf oder sowas ähnliches.

Und Jacken brauchen sie hier auch, wenn sie die Nägel in die Bretter schlagen, mit dem Luftgewehr auf Zielscheiben ballern oder mit dem Roller um orange-weiße Verkehrshütchen gurken. Das Wetter der diesjährigen Spiele „an der Waterkant“spielt nicht so recht mit. „Das liegt daran, daß ihr nicht oft genug in die Kirche geht“, mosert ein angegrauter Niederbayer, „bei uns wär das nicht passiert“. Und eine leicht genervte Mittzwanzigerin, die nur mitgekommen ist, weil ihr porscheversessener Freund („der hat zu Hause 'ne ganze Vitrine vollstehen“) am Freitag Geburtstag hatte, findet Norddeutschland eh doof: „Die Porsche-Clubs Schwaben und Hohenzollern sind viel lustiger“.

Was einen dazu bewegt, bei derartigen Treffs für 400 Mark Teilnahmegebühr ohne Unterkunft mitzumachen, bleibt weitgehend im Dunkeln. Da ist ein bißchen von Gemeinschaft die Rede und davon, daß es schließlich nett sei, sich jährlich einmal zu treffen; von „Abwechslung“und „netten Leuten“. Von „Wichtigtuerei“oder „Imponiergehabe“spricht komischerweise niemand.

Dafür versteigt sich Porsche-Club Roland Bremen-Chef Harald Stegen auf Nachfrage zu Äußerungen wie „Kulturgut“, „kulturelles Ereignis“, „größter markenbezogener Verein der Welt“.

Zu guter Letzt überreicht Harald Stegen in Seebergen der persönlich angereisten Porsche-Erbin noch einen historischen Porsche-Schleppper – und ernennt sie zum ersten Mitglied des „Porsche-Schlepper-Club Deutschland“. Und dabei kann man dann immerhin lernen, daß es auch bei Großerben eher konventionell zugeht: „Damit kannst Du ja jetzt zum Einfaufen fahren, Schatz“, kommentiert ihr Begleiter.

jago

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