„Ich bin nicht zuständig“

■ Bei der Deutschen Bundesbahn gibt es keine Vorschriften, nur Richtlinien

Donnerstag, 18 Uhr 53, Hauptbahnhof Bremen: „Sehr verehrte Fahrgäste, der Interregio 2582 von Hildesheim nach Wilhelmshaven, Ankunft 18 Uhr 45, Abfahrt 18 Uhr 53, trifft wenige Minuten später ein. Wir bitten um ihr Verständnis.“Geht in Ordnung. Klar. Genau.

Acht Minuten später trifft der Zug ein. Mit vielen verständnisvollen Gästen geht es weiter nach Oldenburg. Dort wartet der Regionalexpress nach Nordeich Mole über Bad Zwischenahn, Emden, Leer. Abfahrt 19 uhr 38. Wartet er? Im Prinzip ja, denn seine einzige Aufgabe ist es auf den Interregio aus Bremen zu warten. Das tut er in Oldenburg über eine halbe Stunde. Ja, wartet er nun wirklich? Im Prinzip ja. Er wartet, selbst wenn der Zug aus Bremen sich verspäten sollte. Das tut er heute um genau acht acht Minuten. Wartet der Regionalexpress? Nein. Worten: NEIN! Heute Nicht. Warum nicht? Das hätte ich gerne mal gewußt.

35 Fahrgäste stehen ziemlich belämmert auf dem Oldenburger Bahnsteig rum. Die Lippen der eleganten Dame formen deutlich das Wort „Scheiße“. Die kleine Gemeinde abgehängter Fahrgäste versammelt sich um den Beamten auf dem Bahnsteig. Warum hat der Zug nach Emden nicht gewartet. „Ich bin nicht zuständig“, sagt der Bahnsteigbeamte. Wer denn? „Der Stationsvorsteher.“

Der hat seinen Bürokasten auf dem anderen Bahnsteig. Treppe runter, Treppe rauf. Keuch. „Nicht zuständig“, lächelt der Stationsvorsteher freundlich. Na? Die Betriebsleitung. In Hannover. Die ist zuständig. Hat die einen Vornamen? Nein. Auch keine Telefonnummer. Nur Basag. Wie bitte? Mit letzter Kraft, kurz vor dem Ersticken, die kraftvollen Finger schließen sich fester um seinen Hals, stammelt der freundliche Stationsvorsteher eine Telefonnummer. Raus aus dem Bahnhof. Rein in die Telefonzelle. „Deutsche Bahn Hannover.“Die Betriebsleitung bitte. „Kommen sie über Post oder Basag?“Ich stehe, du Idiot! „Ist ja gut, ich vebinde.“„Betriebsleitung, Hohmann.“Die entscheidende Frage kennen sie bereits. „Nicht zuständig“, klärt Hohmann auf. „Ich verbinde mit der TB-Abteiling.“Ich dachte, die Krankheit wäre längst ausgerottet. „TB-Abteilung.“Sie wissen, was ich frage. „Nicht zuständig. TB ist nicht zuständig. Die Betriebsleitung ist zuständig.“Dann stellen sie verdammt noch mal zurück zu Herrn Hohmann. „Nein.“Auch kurze Worte können sehr weh tun. Warum nicht. „Weil, wir haben kein Betriebsklima.“???

„Machen Sie eine schriftliche Eingabe. Wir haben einen Antrag an die Betriebsleitung gestellt, damit der Zug wartet. Die Betriebsleitung hat abgelehnt. Machen sie eine Eingabe.“

Ich werde mich hüten. Ich will wissen, nur wissen, warum der Regionalexpress 6464, dessen Aufgabe es ist auf den Interregio aus Bremen zu waretn un xder eigentlich immer wartet, warum er heute, ausgerechnet heute, nicht gewartet hat. „Weiß ich nicht. TB ist nicht zuständig.“Na warte, Herr Hohmann, du Schuft. Hohmann, die zweite: „Ich bin zuständig? Warum? Ich bin doch nicht zuständig. Moment mal ... ay, Herrmann hast du was mit 6464 ... ja? aha ... der Kollege hat den Zug ... ay, war da ein Antrag ... von TB? .. ja, Antrag war ... der will wissen, warum du den Zug ... Kollege sagt, Vorschrift ... der will wissen, welche ... Kollege sagt, keine Vorschrift, nur Richtlinie ...der fragt, ob die Richtlinie immer eingehalten wird ... Kollege sagt, nicht immer, ist ja keine Vorschrift ... der fragt warum heute der Zug nicht ... Kollege sagt, ist eben so. Da können wir nichts machen.“

Inzwischen hat die kleine Gemeinde abgehängter Fahrgäste kalte Getränke verteilt. Die elegante Dame stellt einen Karton köstliche Belgische Creme-Pralinen in die Mitte. Eine andere spendiert Chips und Kräcker. „Ach wissen Sie, das muß Ihnen erzählen. Ich streite mit der Bahn, die schuldet mir 1.500 Mark, weil . . . „ Nein!!

Thomas Schumacher