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„Die Betriebe stehen nicht gerade Schlange“

■ Erst drei ABM-Projekte bei Privatunternehmen. IHK: Verfahren zu kompliziert

Vier Monate nachdem das neue ABM-Gesetz in Kraft getreten ist, haben sich Unternehmen der Privatwirtschaft kaum um ABM-Stellen beworben. Mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz – seit 1. April 1997 in Kraft – will die Bundesregierung die ABM-Mittel weg von den gemeinnützigen Trägern und hin zu Privatunternehmen lenken. Nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) liegt die geringe Resonanz vornehmlich an dem komplizierten Vergabeverfahren.

„Unsere Mitgliedsbetriebe stehen nicht gerade Schlange“, sagt IHK-Mitarbeiter Manfred Kern- Nelle. Rudolf Lück vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg kennt die Zahlen: Mitte Juni liefen in Berlin drei ABM-Projekte mit neun Beschäftigten in Privatbetrieben. In Brandenburg waren es 45 Maßnahmen mit 562 Stellen. Zum Vergleich: In beiden Ländern gibt es insgesamt 5.550 Projekte mit über 33.000 Beschäftigten.

Will ein gemeinnütziger Träger gewerbliche ABM-Stellen zum Beispiel im Gartenbau oder der Produktion von Solaranlagen schaffen, muß er neuerdings vorher durch eine öffentliche Ausschreibung klären, ob nicht Privatbetriebe Anspruch auf diese Arbeiten erheben. Der andere Weg: Die IHK, die Handwerkskammer oder ein Fachverband der Wirtschaft stellen eine Bescheinigung aus, ob Mitgliedsbetriebe sich grundsätzlich für das ABM-Projekt interessieren oder nicht.

Bei IHK-Mitarbeiter Kern- Nelle sind seit Mai rund 250 Anträge eingegangen. Um „sich Luft zu verschaffen“, hat er viele Anträge an die gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaften zurückgeschickt. Nach Meinung der IHK sollen sie erst einmal selbst Privatbetriebe per Ausschreibung suchen. Doch die rechtliche Lage ist ungeklärt. „Wir können nicht ausschreiben“, sagt Ursula Blankenburg von der Beschäftigungsfirma Atlantis. „Das muß die Schule machen, in der wir die Solaranlage errichten wollen.“ Dieses Hin und Her hat vier Monate gekostet. Und die Stellen wurden nicht eingerichtet – weder bei Atlantis noch bei einem Privatbetrieb.

Derweil bemüht sich die IHK, das Verfahren zu vereinfachen. Zur Zeit muß nicht nur die Kammer, sondern zusätzlich noch ein Fachverband, etwa die Vertretung der privaten Gartenbaubetriebe, über die ABM-Vergabe entscheiden. Eine Stellungnahme soll dagegen reichen, meint die IHK. Außerdem landen gegenwärtig auch viele Anträge für Stellen im Sozialbereich bei der IHK, die mit gewerblichen Tätigkeiten gar nichts zu tun haben. Auch dies sei eine Folge unklarer Definitionen, die dringend einer Klärung bedürften. Hannes Koch

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